Finanzierung des Klimaschutzes durch Industriestaaten
31. Mai 2015Deutsche Welle: Die Vereinten Nationen koordinieren die Verhandlungen, die in knapp 200 Tagen zur großen Klimakonferenz in Paris im November 2015 führen sollen. Was sind die größten Hindernisse auf dem Weg nach Paris?
Janos Pasztor: Wir sind mittendrin im entscheidenden Jahr. Wir werden jetzt vom 01. Juni an zwei Wochen lang formell in Bonn verhandeln. Das wird eine entscheidende Phase, um zu sehen, wo wir stehen und wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Wie Sie vielleicht wissen, haben wir einen Entwurf der Abschlusserklärung, der im Moment 86 Seiten umfasst. Da gibt es noch eine Menge Optionen, Wahlmöglichkeiten und eingeklammerte Texte. Bei der Sitzung im Juni geht es darum, dass die Staaten entscheiden, welche Optionen gestrichen werden können, um den Text einfacher zu machen. Es sollten nur die wirklich kritischen Streitpunkte übrig bleiben, über die man dann in der zweiten Jahreshälfte verhandeln muss.
Glauben Sie, dass es am Ende in Paris verbindliche Ziele für den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen geben wird?
Man erwartet, dass es einen verbindlichen Vertrag geben wird. Aber bei den Verpflichtungen der einzelnen Staaten, ist heute nicht klar, welchen Grad an Verbindlichkeit man erreichen wird. Es ist aber wichtig, dass es zum ersten Mal um Klima-Ziele geht, die von den Staaten selbst festgelegt werden. Was kann jedes einzelne Land heute tun oder was ist es bereit zu tun? Das ist positiv. Niemand von außen zwingt ein Land etwas zu tun, sondern es geht darum, was sie sich selbst zutrauen.
Bis jetzt gibt es verbindliche Zusagen von rund 40 Ländern, die meisten davon europäische. Die großen Verschmutzer wie Indien oder China haben sich noch nicht festgelegt. Glauben Sie, das kommt noch was?
Ja, da kommt noch was. Der UN-Generalsekretär hat gerade die Staats- und Regierungschefs schriftlich aufgefordert, ihre Zusagen zu melden. Wir haben gerade aus China gehört, dass sie ihre Ziele bald vorstellen werden. Die anderen werden das auch machen. Wir hoffen, dass zum Beispiel beim G7-Gipfel im Juni, die G7-Staaten, die sich noch nicht festgelegt haben, das nachholen werden. In der zweiten Jahreshälfte sollten dann so viele wie möglich folgen.
Was ist ihre Verhandlungsstrategie? Die Erwartungen herunterschrauben, damit die Enttäuschung nicht so groß wird?
Nein, so einfach ist das nicht. Natürlich wollen wir die Erwartungen nicht zu hoch schrauben, aber es geht ja um ein Paket, das in Paris herauskommen soll. Das hat mindestens vier Bestandteile, die alle miteinander verknüpft sind.
Das sind die Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen, die zum ersten Mal wirklich von allen Staaten festgelegt werden sollen. Zweitens geht es um die Natur des Vertrages an sich. Welche Mechanismen zur Überprüfung können wir einbauen? Wie können wir sicherstellen, dass die Vereinbarungen ständig angepasst werden, damit wir am Ende das Ziel erreichen, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen? Wenn wir so weiter machen wie bisher, wird sich die Erde um vier Grad erwärmen, nicht um zwei. Deshalb müssen wir diese Mechanismen durchsetzen. Das dritte Element ist die Finanzierung. Ohne finanzielle Unterstützung für die Entwicklungsländer wird das nicht funktionieren. Der vierte Teil ist der so genannten Aktionsplan. Es geht nicht nur um Worte, sondern auch um Taten vor Ort bei der Reduzierung von Emissionen und der Entwicklung der Technik. Das wollen wir verstärken. Eine ausgewogene Mischung dieser vier Bestandteile wird einen Erfolg der Verhandlungen ausmachen.
Sie haben das Geld erwähnt. Frühere Klima-Gipfel haben ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zugesagt für weniger entwickelte Länder. Bisher sind nur zehn Prozent dieser Mittel verfügbar. Glauben Sie, dass Sie auf dem Weg nach Paris noch mehr Geld zusammenbekommen können?
Wir erwarten Fortschritte. Wenn die nicht kommen, hätte das einen sehr negativen Einfluss auf die Verhandlungen. In Paris müssen die entwickelten Staaten jetzt nicht auf einen Schlag 100 Milliarden Dollar auf den Tisch legen, aber sie müssen zeigen, dass sie eine politisch glaubwürdige Strategie haben, um im Jahr 2020 die Mittel wirklich zusammen zu haben. Vor zehn Tagen hat die deutsche Bundeskanzlerin die Verdoppelung des deutschen Beitrags angekündigt.
Das ist die Art von Zusagen über einen gewissen Zeitraum, die wir brauchen. Deutschland zeigt hier Führung und wir hoffen jetzt, dass die übrigen entwickelten OECD-Staaten in gleicher Weise antworten werden. Am Ende brauchen wir die USA und alle anderen großen Industriestaaten an Bord. Japan, Frankreich, Italien, alle großen Staaten haben eine Schlüsselrolle. Die G7-Präsidentschaft Deutschlands könnte helfen.
Sie leiten die Verhandlungen auf Seiten der Vereinten Nationen. Haben Sie irgendein Druckmittel, um sich durchzusetzen?
Wir leiten die Verhandlungen nicht, wir ermöglichen sie. Wir haben das UN-Klimasekretariat in Bonn. Ich arbeite auf der Seite des UN-Generalsekretärs, der einspringt, um mit Regierungschefs zu sprechen, wenn es besondere Schwierigkeiten gibt. Die Rolle des UN-Generalsekretärs ist es auch, die Klima-Problematik mit anderen Themenfeldern zu verknüpfen. Zum Beispiel werden die Mitgliedsstaaten der UN im September die neuen nachhaltigen Entwicklungsziele, die Millennium-Ziele für die Phase nach 2015, verabschieden. Da gibt es natürlich eine Menge Überschneidungen zwischen den Bereichen Klimaschutz und Entwicklungspolitik.
Janos Pasztor ist seit Anfang des Jahres stellvertretender UN-Generalsekretär für den Klima-Wandel. Der ungarische UN-Diplomat bereitet für UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Weltklimakonfernz vor, die im Herbst 2015 in Paris stattfinden wird.
Bernd Riegert sprach mit Janos Pasztor in Brüssel