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Was tun mit Kunst aus den Kolonien?

29. November 2018

Was tun mit Kulturobjekten aus den ehemaligen Kolonien? Deutschland hält sich bedeckt. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ruft nach einem "moralischen Maßstab" für mögliche Rückgaben.

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Zeichnung eines Jägers mit erlegten afrikanischen Löwen
Bild: Jens Weyers

Klar ist, auch Deutschland kann sich dem - von Frankreichs Präsident Macron entfachten - Streit um das koloniale Erbe nicht entziehen. Auch in Deutschlands Museen und privaten Sammlungen schlummern tausende Objekte, die Seefahrer, Soldaten, Handlungsreisende, Missionare oder Sammler aus aller Herren Länder mitbrachten. Die Stücke, längst nicht nur Kunstobjekte oder solche von religiös-spiritueller Bedeutung, fanden Eingang in ethnologische Sammlungen. Dazu zählen auch Alltagsgegenstände und solche, die eigens für europäische Sammlermärkte produziert wurden. "Geschichte ist selten nur Schwarz oder Weiß", gibt Stiftungspräsident Parzinger zu bedenken.

God Gu
God Gu: Kultfigur aus dem westafrikanischen Königreich DahomeyBild: picture-alliance/Heritage Images/Werner Forman Archive

Er plädiert für eine enge Museums-Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern. "Dabei haben wir uns an unseren Partnern in Afrika, Asien oder Ozeanien zu orientieren", verlangt Parzinger in einem aktuellen Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "und nicht umgekehrt!" Gemeinsam könne man Vorschläge erarbeiten, welche Objekte zurückzugeben seien, weil sie entweder unrechtmäßig erworben wurden oder weil sie eine besondere Bedeutung für die jeweilige Herkunftsgesellschaft hätten. Daraus könne eine "neue Qualität in den Beziehungen zwischen Europäern und den Menschen in ehemaligen Kolonialgebieten" entstehen, hofft Parzinger.

Frankreichs Umgang mit kolonialem Erbe

Mit seinen Äußerungen reagiert der Kulturmanager auf ein von Frankreichs Präsident Macron in Auftrag gegebenes Dossier zum Umgang mit afrikanischem Kulturerbe. Darin fordern die Autoren Bénédicte Savoy und Felwine Sarr eine Rückgabe aller Objekte aus kolonialem Kontext, sogar ohne weitere Provenienzforschung. Seither schlagen die Wellen hoch: "Was wird in unseren Museen bleiben?", fragen viele Franzosen. Die Restitution ihres Kulturerbes, das sich zu 95 Prozent außerhalb des Kontinents befände, würde in vielen Ländern zu einem größeren Selbstbewusstsein führen, entgegnet die in Berlin lehrende Kunsthistorikerin Savoy.

Hermann Parzinger und John Johnson bei der Rückgabe von Grabbeigaben aus Alaska
Hermann Parzinger (links) und John Johnson bei der Rückgabe von Grabbeigaben aus Alaska im Mai 2018Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Deutschlands Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat den brisanten Bericht bisher nicht öffentlich kommentiert. Man brauche Zeit, ihn auszuwerten. Unabhängig von den Vorschlägen von Savoy und Sarr sei die Haltung "ganz eindeutig", so ein Sprecher von Grütters, den der Berliner "Tagesspiegel" zitiert. "Raubkunst muss zurückgegeben werden, das gilt auch für Kulturgüter aus kolonialen Kontexten. Das setzt Provenienzforschung voraus, die Deutschland in den letzten Jahren deutlich intensiviert hat und weiter ausbaut."

Bereits zum Antritt ihrer zweiten Amtszeit im April hat die Kulturstaatsministerin versprochen, die Aufklärung des kolonialen Erbes in den Museen voranzutreiben. So sieht es auch Michelle Müntefering, Staatsministerin für Kultur im Auswärtigen Amt. Für sie sei "klar, dass solche Kunst restituiert werden muss".

Schleppende Rückgabe aus Deutschland

Bisher kommt es in Deutschland eher selten zur Rückgabe von Kulturgütern aus Afrika und anderen Ländern. In diesem Jahr übergab die Stiftung Preußischer Kulturbesitz Vertretern der Chugach Alaska Corporation mehrere Objekte aus einer Grabplünderung. Im Sommer wurden sterbliche Überreste von Herero und Nama, die dem Völkermord durch deutsche Kolonialtruppen ab 1904 auf dem Gebiet des heutigen Namibia zum Opfer fielen, an die Nachfahren übergeben. Zuletzt gab im Juni das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum einen tätowierten Maori-Schädel an Neuseeland zurück.

Ein mumifizierter tätowierter Schädel der Maori aus Neuseeland
Mumifizierter tätowierter Maori-Schädel aus NeuseelandBild: picture-alliance/dpa/T. Kleinschmidt

Die Restitution der etwa 500 Benin-Objekte im Ethnologischen Museum Berlin ist bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz derzeit offenbar kein Thema. Nicht selten könnten Museen Objekte auch nicht zurückgeben, wie sie wollten. In Frankreich könnte es bald zu Gesetzesänderungen kommen. Davon scheint Deutschland weit entfernt.

Parzinger empfiehlt internationale Ethikkommission

Deutschland müsse seine koloniale Vergangenheit zügig aufarbeiten, mahnt Stiftungspräsident Hermann Parzinger. "Unserem Handeln müssen wir einen moralischen Maßstab zugrunde legen", fordert er, denn "juristisch ist hier wenig zu machen". Wie bei der NS-Raubkunst brauche es Empfehlungen für Kunst- und Kulturgüter aus kolonialen Zusammenhängen. Parzinger regt deshalb die Bildung einer internationalen Ethikkommission an, bestehend aus "angesehenen Persönlichkeiten unterschiedlichen fachlichen Hintergrunds". Außerdem schlägt er vor, dass deutsche Museen ihre Sammlungsbestände mitsamt der Erwerbungsakten digitalisiert zugänglich machen sollten. Die Provenienzforschung müsse ausgebaut und der Informationsaustausch mit den Herkunftsländern vertieft werden.