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Parlamentswahlen in Kroatien

Anto Jankovic 23. November 2003

Vier Jahre nach dem demokratischen Wechsel hat Kroatien ein neues Parlament gewählt. Der Ausgang der Wahl ist ungewiss. Ein Hintergrund über die Chancen von Koalition und Opposition.

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Kroatien will mehr sein als UrlaubszielBild: Illuscope

Die etwa 4,3 Millionen Wahlberechtigten standen vor einer neuen Richtungsentscheidung zwischen den Parteien um die regierenden Sozialdemokraten (SDP) und der im Jahr 2000 von der Macht abgewählten Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ), die als nationalistische Sammlungsbewegung gegründet worden war. Beobachter berichten über sehr rege Beteiligung in den Wahllokalen und eine weitgehend reibungslose Stimmabgabe.

Dennoch: Kroatische Meinungsumfragen sind nicht besonders zuverlässig. Abweichungen von zehn und mehr Prozent waren in der Vergangenheit nicht selten. Es fällt auf, dass die vorausgesagten Ergebnisse sehr vom Parteibuch des jeweiligen Chefredakteurs des Mediums, von dem die Umfrage veröffentlicht wird, abhängen. Andererseits ist die Zahl derer, die die Teilnahme an der Umfrage verweigern, mit etwa 40 Prozent enorm hoch. Zudem zählten in den letzten Umfragen 15 bis 30 Prozent der Befragten zu den Unentschlossenen.

Hausmacht der Konservativen

Dennoch erwarten Beobachter, dass die stärkste Partei auch bei diesen Wahlen die national-konservative Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) unter Führung des gemässigten Ivo Sanader wird. Es ist die Partei des verstorbenen Präsidenten Franjo Tudjman, die bei allen Wahlen seit dem demokratischen Umbruch 1990 die meisten Stimmen bekam. Ob es zur Regierungsbildung ausreicht, ist aber mehr als fraglich.

Die HDZ war auch aus den letzten Wahlen im Januar 2000 als stärkste Partei hervorgegangen, aber es mangelte ihr an willigen Koalitionspartnern. Heute ist die Situation nicht wesentlich anders: Drei Parteien aus der jetzigen Regierungskoalition - die Sozialdemokratische Partei (SDP), die Liberale Partei "Libra" und der Istrische Demokratische Bund (IDS) - haben schon eine Wahlkoalition gebildet. Die übrigen zwei Regierungsparteien - die Kroatische Volkspartei (HNS) und die Kroatische Bauernpartei HSS - treten bei der Wahl einzeln auf. Sie haben aber durchblicken lassen, dass sie lieber mit den in Sozialdemokraten umbenannten Reformkommunisten des jetzigen Premierministers Ivica Racan koalieren würden als mit der HDZ.

Die Parteienlandschaft in Kroatien ist zersplittert

Allein aus der HDZ aus Tudjmans Zeit sind inzwischen vier Parteien hervorgegangen. Die einstigen Liberalen haben sich in drei Parteien gespalten. Racans Reformkommunisten konnten zwar die neu gegründete Sozialdemokratische Partei zur Vereinigung bewegen, aber auch auf dem linken Flügel kämpft eine Schar von Parteien um die Wählergunst. Insgesamt treten bei diesen Wahlen fast 100 Parteien und Wählergemeinschaften an. Und: mehr als 5.000 Kandidaten bewerben sich um die rund 160 Abgeordneten-Mandate.

Die Vielzahl der Parteien und Kandidaten bedeutet allerdings nicht, dass das Interesse der Kroaten insgesamt an der Politik gewachsen ist. Viele derer, die kandidieren oder sich in den Parteien engagieren, sehen darin den Weg zur Flucht aus der Arbeitslosigkeit. Die große Mehrheit der Bevölkerung ist aber von der Politik enttäuscht. Euphorie wie vor den letzten Wahlen Anfang 2000 ist nicht zu spüren.

Enttäuschung bei den Wählern

Die Regierungskoalition, mit der man vor vier Jahren große Hoffnungen verband, hat viele Kroaten enttäuscht: Nach neuesten Umfragen meinen mehr als 50 Prozent, dass es ihnen schlechter gehe als vor vier Jahren. Fast die Hälfte der Befragten - 48 Prozent - meint, dass es jetzt mehr Kriminalität und Korruption gebe als zu Zeiten der HDZ. Und fast ebenso viele - 46 Prozent - sind der Ansicht, dass sich die wirtschaftliche Situation noch weiter verschlechtern wird.

Die aussichtsreichsten Kandidaten für den künftigen kroatischen Premier sind der derzeitige Ministerpräsident Racan und HDZ-Spitzenkandidat Sanader. In ihren Wahlkampf-Reden unterscheiden sie sich kaum. Für beide hat der EU-Beitritt "höchste Priorität", beide wollen die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Tribunal für Kriegsverbrechen fortsetzen, beide haben sich für die Rückkehr der serbischen Flüchtlinge ausgesprochen. Aber Hoffnungen auf ein besseres Leben verbindet die Mehrheit der Kroaten mit keinem der beiden.

Wer auch immer der neue kroatische Premier wird, wird es schwer haben: Der wirtschaftliche Aufschwung kommt nur schleppend voran, ausländische Investoren haben wenig Vertrauen in den Standort Kroatien, und die Auslandsschulden haben mit 20 Milliarden US-Dollar einen historischen Höchststand erreicht. Und das ist genau der Betrag, den vor zwölf Jahren ein viermal größeres Jugoslawien hatte.