1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Paradigmenwechsel auf Nordzypern?

21. April 2005

Nach den Präsidentschaftswahlen auf Nordzypern löst Mehmet Ali Talat den seit 1976 amtierenden Rauf Denktasch ab. Talat gilt als ein Mann des Ausgleichs und Dialogs mit den Griechen. Rückt eine Wiedervereinigung näher?

https://p.dw.com/p/6Xnz
Mehmet Ali Talat feiert seinen SiegBild: dpa

30 Jahre lang hat er die Politik auf Nordzypern bestimmt, jetzt hat er seinen Hut genommen. Rauf Denktasch war fast 30 Jahre Präsident der international nicht anerkannten "Türkischen Republik Nordzypern". Für ihn ist es ein trauriger Abschied. Denn sein Ziel, Präsident einer eigenständigen und auch international anerkannten Republik zu werden, hat er mit seiner Politik nicht erreicht. Auch stand in der letzten Zeit der große Bruder, die Türkei, nicht mehr hinter ihm. Seine große Zeit hatte Denktasch vor 21 Jahren, im Jahre 1983, als er unter frenetischem Beifall seiner Landsleute die "Türkische Republik Nordzypern" proklamierte.

Doch in den letzten Jahren hatte er unter seinen Volksgenossen viel an Sympathie verloren. Vor einem Jahr, als Zweidrittel der Nordzyprer für den so genannten Annan-Plan des UN-Generalsekretärs stimmten, war er gegen eine Wiedervereinigung der Insel. Denn er war überzeugt, dass Griechen und Türken nicht zusammenleben können: "Wenn man den Griechen einen Finger hinhält, dann nehmen sie sich gleich die ganze Hand", so die Überzeugung Denktaschs.

Neuer Präsident, neue Politik

Der neue Präsident Mehmet Ali Talat sieht das anders. Mit seiner pro-europäischen Politik steht er für einen Dialog mit den Inselgriechen. Deshalb sei der Abgang von Rauf Denktasch eine positive Entwicklung, so Talat kurz vor den Wahlen: "Besonders in den letzten Jahren hat er zwischen sich und dem türkischen Volk auf Zypern eine Kluft geschaffen. Herr Denktasch hat keinen Bezug mehr zu seinem Volk, er repräsentiert nicht mehr das Volk und dessen Wünsche, Gefühle und Ängste."

Mit dem neuen Präsidenten Mehmet Ali Talat beginnt jetzt auf Zypern eine neue Ära. Eine Wiedervereinigung und somit auch der automatische Beitritt zur Europäischen Union hat für Talat höchste Priorität. Auch Heinz Kramer, Zypernexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, ist sich sicher - die Politik von Talat werde sich deutlich von der Denktaschs unterscheiden: "Denktasch war die ganze Zeit darum bemüht, so etwas wie eine Zweistaatentheorie auf Zypern durchzusetzen. Talat hingegen ist wirklich daran interessiert, einen Ausgleich mit der griechischen Seite im Sinne einer Überwindung der Teilung auf der Grundlage der UN-Formel herbeizuführen."

Schnelle Wiedervereinigung nicht in Sicht

Trotz des Machtwechsels auf Nordzypern sei eine Lösung des Zwei-Völker-Problems auf der kleinen Mittelmeerinsel in absehbarer Zeit aber nicht in Sicht, sagt Heinz Kramer. Denn die Verweigerungspolitik, die früher Denktasch betrieben habe, sei mittlerweile auf der griechischen Seite von Präsident Tassos Papadopoulos übernommen worden.

Auf eine Rückendeckung der EU könne Mehmet Ali Talat im Moment kaum zählen, meint Zypern-Experte Kramer. Denn seit dem EU-Beitritt Zyperns im letzten Jahr sei der Spielraum der Gemeinschaft begrenzt. Dass die Hände der EU gebunden sind, sehe man daran, dass die zugesagte Finanzhilfe an Nordzypern nach dem Referendum vor allem durch die Papadopoulos-Regierung blockiert werde: "Die Fragen, um die es auf Zypern geht, sind in der überwiegenden Mehrzahl im Rahmen der EU nur einstimmig zu entscheiden und damit gegen ein Veto von Papadopoulos oder wer auch immer auf der griechischen Seite an der Macht ist, nicht durchzusetzen. Die EU ist in einer gewissen Weise durch die Mitgliedschaft Zyperns seit einem Jahr irgendwie ein Komplize der griechisch-zyprischen Regierung geworden."

Vedat Acikgöz
DW-RADIO/Türkisch, 18.4.2005, Fokus Ost-Südost