Weiter warten auf das R-Wort
30. November 2017"Wer ist der Papst?" fragt Moulove Abdul Halim. Vor zwei Monaten ist der Rohingya von Myanmar nach Bangladesch geflohen. Nun betreut er die neu erbaute Moschee im Flüchtlingslager Kutuplaong, nahe der Küstenstadt Cox's Bazar. Hier sind die meisten Flüchtlinge aus der muslimischen Minderheit der Rohingya gestrandet.
Von einem Franziskus, der Oberhaupt der katholischen Kirche ist, hat Halim noch nicht gehört, genauso wenig davon, dass dieser Franziskus nun, von Myanmar kommend, zu einem dreitägigen Besuch in Bangladesch eingetroffen ist. Danach befragt, bekundet Halim auch wenig Interesse. Er wendet sich lieber mit einem Appell an die jungen Studenten in seiner Moschee, den Koran zu studieren.
Die Flüchtlingslager von Kutupalong wachsen Tag für Tag weiter. Fast eine Million Menschen lebt hier inzwischen unter katastrophalen Bedingungen. Immer mehr Zelte werden auf Flächen ohne Zugang zu Elektrizität oder Wasserversorgung errichtet.
Nach Franziskus gefragt, verwechselt die 20-jährige Samsunnahar die Wörter "pope" und "coke", der englischen Bezeichnung für Coca-Cola. Mohammed Hashim, ein weiterer Einwohner von Kutupalong, hält "Papst" dagegen für den Namen einer mächtigen lokalen Polit-Organisation, über die man vielleicht mehr wissen sollte.
"Wir wollen einfach ein selbstbestimmtes Leben in Myanmar führen, so wie die anderen Bürger des Landes auch. Wir sind Rohingyas. Und sie sollten uns anerkennen. Kann der Papst uns helfen, in unsere Heimat zurückzukehren?" fragt Hashim. Der 20-jährige Student sieht für sich im Lager in Cox's Bazar keine Chance, seine Ausbildung fortzusetzen. Weiterführende Schulen gibt es im Lager nicht. Und den Rohingya ist es verboten, die Schulen der Einheimischen zu besuchen.
Das Schweigen des Papstes in Myanmar
Der Papst vermied es, bei seinen Treffen mit Myanmars de-facto-Staatschefin Aung San Suu Kyi und mit buddhistischen Geistlichen den Begriff Rohingya zu gebrauchen. Viele in dem mehrheitlich buddhistischen Land und auch die Regierung bezeichnen die Minderheit als "Bengalis".
Für Beobachter der Papstreise nach Südostasien war es überraschend, für viele auch enttäuschend, dass Franziskus die Rohingya bislang unerwähnt ließ. Mayyu Ali studierte Englisch an der Universität von Myanmar, bis die Regierung vor fünf Jahren die Rohingya von den Hochschulen verbannte. Vor zwei Monaten floh sie mit ihrer Familie nach Bangladesch. Zuvor hatte das Militär ihr Haus niedergebrannt.
"Ich hatte gehofft, dass der Papst Kutupalong besucht und sich ein Bild davon macht, was wir hier jeden Tag erleiden müssen", sagt Ali im DW-Interview. Sie bleibt optimistisch, dass Franziskus die Rohingya doch noch erwähnt, so wie er es bei Predigten im Vatikan bereits zweimal in diesem Jahr getan hatte.
"Flüchtlinge aus dem Rakhine-Staat"
Doch auch bei seiner ersten Rede in Bangladesch vor Politikern und Diplomaten im etwa zur Hälfte gefüllten Saal am Sitz des Staatspräsidenten Abdul Hamid verwendete Franziskus nicht die Bezeichnung "Rohingya", sondern sprach von "Flüchtlingen aus dem Rakhine-Staat", was das gleiche meint. Zugleich rief das Kirchenoberhaupt angesichts der Flüchtlingskrise der Rohingya-Minderheit zum raschen Handeln auf: "Es muss nicht nur daran gearbeitet werden, die politischen Fragen zu lösen, die zur Verschiebung der Menschenmassen geführt haben."
Kommt er oder kommt er nicht?
Ein Besuch des Papstes in einem Flüchtlingslager oder ein eigenes Treffen mit Rohingya ist im offiziellen Programm nicht vorgesehen. Allerdings sollen Vertreter der Minderheit an einer interreligiösen Begegnung am Freitag in der Hauptstadt Dhaka teilnehmen.
Regina Catrambone, Mitbegründerin der in der Rohingya-Krise aktiven Flüchtlings-Hilfsorganisation MOAS (Migrant Offshore Aid Station), hofft auf einen unangekündigten Besuch des Papstes. "Es dürfte an Sicherheitsbedenken liegen, dass der Papst keinen Besuch plant. Aber schließlich ist er ja ein Papst, der Überraschungen mag", sagt Catrambone.
Andere Hilfsorganisationen vermeiden es, das Politikum Papst-Besuch direkt anzusprechen. Auch bei der Regierung gibt man sich bei dem Thema zugeknöpft
0,3 Prozent der Bangladescher sind Christen
Nay San Lwin, ein in Deutschland lebender Rohingya-Aktivist, hat das Land vor der Papstreise besucht. Er glaubt, dass Franziskus sich den Begriff "Rohingya" in Myanmar auf Betreiben des burmesischen Kardinals Karl Maung Bo verkniffen hat. In einem mehrheitlich muslimischen Land wie Bangladesch möchte Nay San Lwin das Wort jedoch aus dem Mund des Papstes hören. "In Bangladesch lebt derzeit mehr als eine Million Rohingya-Flüchtlinge, allesamt Opfer des Genozids", sagt San Lwin. "Der Papst muss den Völkermord verurteilen und sollte die Vereinten Nationen zum Eingreifen in Myanmar auffordern."
Nur 0,3 Prozent der 159 Millionen Einwohnern Einwohner im muslimisch geprägten Bangladesch sind Christen, darunter laut Kirchenangaben 375.000 Katholiken. Sie will der Papst mit seinem Besuch im Glauben stärken. Zuletzt hatten islamistische Tendenzen den Druck auf religiöse Minderheiten in Bangladesch erhöht.