Papst macht der EU Mut
24. März 2017Ein Volksfest wie beim 50. Geburtstag der Europäischen Union vor zehn Jahren in Berlin gibt es in Rom zum Sechzigsten nicht. Außer einigen elektronischen Schautaufeln in der U-Bahn weist in der Stadt in schöner Frühlingssonne nichts auf den runden Geburtstag der Union. Nicht mehr Fahnen als üblich, nur jede Menge Straßensperren und Umleitungen, die die Römer schimpfen lassen. Das Kapitol, der Hügel, auf dem die 27 EU-Staats- und Regierungschefs ihre nüchterne Party feiern wollen, wird weiträumig abgesperrt. Parkplätze wurden geräumt. Lastwagen dürfen aus Angst vor Terrorattacken nicht in die Innenstadt. Außerdem wird nach Angaben der römischen Polizei eine Anti-EU-Demonstration mit bis zu 20.000 Teilnehmern erwartet. Gewaltbereite Demonstranten vom "Schwarzen Block" sollen auch dabei sein.
Predigt vom Papst
Am Abend vor dem Festtag hat der Papst die europäischen Spitzenpolitiker in die Sala Regia des Apostolischen Palastes in den Vatikan eingeladen. Die private Audienz hatte der derzeitigte Ratsvorsitzende, der maltesische Premier Joseph Muscat, eingefädelt. Er meint, der Papst sei vielleicht die letzte Autorität, die den zerstrittenen Staats- und Regierungschefs, ein wenig Rat und Richtung geben kann.
Franziskus lieferte in seiner mahnenden Rede dann auch genau das. "Europa findet Hoffnung, wenn es offen für Zukunft ist. Europa findet Hoffnung, wenn es in Entwicklung und Frieden investiert", sagte der Papst. Er meinte damit auch Entwicklung für die einzelnen Bürger in Europa, die ein Leben in Würde, in Arbeit, mit Bildung und Zugang zu medizinischer Versorgung leben sollten. Die EU stehe in der Gefahr zu sterben, wenn sie sich nicht entwickele. "Anders als ein Mensch ist die EU aber keinem natürlichen Alterungsprozess ausgesetzt. Sie kann sich immer wieder verjüngen. Ihr Erfolg hängt von der Bereitschaft ab, wieder zusammen zu arbeiten."
Verschiedene Geschwindigkeiten
In ihrer gemeinsamen Deklaration von Rom, die der Deutschen Welle vorliegt, versprechen die EU-Staats- und Regierungschefs die beispiellosen Herausforderungen in der Welt gemeinsam anzugehen und das Friedensprojekt EU fortzusetzen. In den nächsten zehn Jahren sollen die Mitgliedsstaaten allerdings stärker auswählen können, an welchen EU-Projekten sie teilnehmen. "Wir werden zusammen handeln mit verschiedenen Geschwindigkeiten und unterschiedlicher Intensität, wo das nötig ist. Wir gehen in eine gemeinsame Richtung, wie schon in der Vergangenheit, in Einklang mit den Verträgen. Die Tür für die, die später mitmachen wollen, bleibt offen", heißt es in dem Papier zum 60. Geburtstag. "Die Union ist ungeteilt und unteilbar."
Die polnische Regierung hatte sich überraschend vor zwei Tagen gegen den Text gestellt, weil sie die unterschiedlichen Geschwindigkeiten nicht mittragen will. Die polnische Premierministerin Beata Szydlo droht damit, in Rom nicht zu unterschreiben, obwohl die Verhandlungen zu dem Papier eigentlich schon Anfang der Woche mit Zustimmung der polnischen Delegation abgeschlossen worden waren. Auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras versuchte in letzter Minute einen Extrawunsch unterzubringen und auf die griechische Finanzkrise einzugehen. Tsipras zog noch zurück. Der Text ist, soweit bekannt, nicht mehr wesentlich verändert worden.
Weiter ohne Briten, andere Kandidaten warten
Über dem Kapitol in Rom werden nur noch 27 Flaggen wehen. Der Union Jack, die britische Flagge, fehlt bereits. Premierministerin Theresa May nimmt nicht mehr an der Geburtagsfeier teil. Sie wird am Mittwoch den Austritt ihres Landes aus der Union beantragen, nach immerhin 44 Jahren Mitgliedschaft. Die Stimmung will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel davon aber nicht vermiesen lassen. Sie erklärte ein einem Zeitungsinterview vor dem Gipfeltreffen, dass man mit dem Brief aus London ja nun schon lange gerechnet habe. Ob der nun vor oder nach dem Gipfel komme, sei nicht von Bedeutung. Auf die Frage eines britischen Reporters in der BBC, ob denn in Rom wegen des Brexits nicht ständig ein unsichtbarer "Elefant" mit im Raum sei, antwortete der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker trocken: "Theresa May ist kein Elefant." Natürlich sei er traurig, dass die Briten gingen. Den Austritt werde man fair verhandeln, aber nicht naiv. Es ist das erste Mal, das ein Staat die EU verlässt. Von 1957, als die Römischen Verträge ebenfalls auf dem Capitol von sechs Staaten unterzeichnet wurden, ist die EU in mehreren Schüben auf 28 Staaten angewachsen. Alle Staaten auf dem Westbalkan und die Türkei wollen der Union ebenfalls noch beitreten. "Wir werden offen bleiben für die Staaten, die unsere Werte respektieren und sie weiter verbreiten", heißt es in der Erklärung.
"EU ist Zukunft"
Ganz am Ende ihrer Erklärung versprechen die Staats- und Regierungschefs, dass sie zusammen arbeiten wollen, um die Zukunft zu gestalten. "Wir sind zu unserem Besten vereint. Europa ist unsere gemeinsame Zukunft." EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte der Union noch eine lange Zukunft voraus. "Wir sind aber nicht gerade in unserer Bestform im Moment", meinte Juncker in der BBC.
Die Zukunft der EU hänge jetzt vor allem von den Präsidentenwahlen in Frankreich ab, sagte Silvia Francescon der Deutschen Welle. Die Chefin des "European Council on Foreign Relations" in Rom ist davon überzeugt, dass ein möglicher Präsident Emmanuel Macron der EU gut tun würde. "Er ist mit ungewöhnlicher Leidenschaft für die EU. Das ist eine neue Generation", meinte Silvia Francescon. Wenn allerdings die rechtspopulistische Marine Le Pen in Frankreich das Rennen mache, sei die Europäische Union am Ende.