Papst Franziskus auf schwieriger Mission
5. September 2017Als sich die ersten Kongressdelegierten einfinden, geht ein Raunen durch das Spalier. Eine Gruppe der ehemaligen Guerilla-Organisation FARC hat ein Bild mit nach Bogota gebracht und posiert mit dem Gemälde vor den Pressefotografen. Es zeigt Che Guevara, Hugo Chavez, Fidel Castro und Jesus Christus in einer Reihe.
Vor wenigen Tagen erst hat sich die FARC in die Parteienlandschaft Kolumbiens eingereiht - unter dem altem Kürzel FARC aber mit dem neuen Namen"Revolutionäre Alternative". Geht es nach ihr, dann stehen Jesus und auch Papst Franziskus auf ihrer Seite.
"Der Papst kommt nach Kolumbien, um die Kräfte des Friedens zu stärken", sagt Jesus Santrich, einer der prominentesten FARC-Köpfe, im Gespräch mit DW.com. Die FARC sieht sich nach eigenem Verständnis als eine treibende Kraft des Friedens in Kolumbien.
Die Kirche gewann erst in den letzten Jahren das Vertrauen der Guerilla. Viele wähnten sie auf der Seite der Großgrundbesitzer. Am Wochenende baten gar Katholiken um Vergebung für die Rolle, die die Kirche in dem bewaffneten Konflikt gespielt hatte.
Franziskus unterstützt Friedensprozess
Papst Franziskus ist ein erklärter Unterstützer des Friedensprozesses zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC. Mit seiner Reise nach Kolumbien, die ihn von Mittwoch bis Sonntag (06.09. bis 10.09.2017) nach Bogota, Villavicencio, Medellin und Cartagena führt, löst er ein Versprechen ein. Gelingt in Kolumbien ein Friedensvertrag, so werde er das Land besuchen, versprach das argentinische Kirchenoberhaupt vor einem Jahr, als noch vieles auf der Kippe stand.
Nach einem schweren Rückschlag durch eine verlorene Volksabstimmung über das Abkommen und mit dem Rückenwind des Friedensnobelpreises für den mutigen Präsidenten Juan Manuel Santos gelang es dann Ende 2016 den Friedensvertrag doch noch unter Dach und Fach zu bringen. Nun hält der Papst Wort. Und kommt in ein zerrissenes Land.
Im Westen an der bettelarmen Pazifikküste wird immer noch gekämpft. Rechte Paramilitärs und die linke ELN-Guerilla liefern sich an der Pazifikküste, die der Papst überraschend nicht besucht, blutige Kämpfe um die Vorherrschaft im Drogenhandel und illegalen Bergbau. Auch die Armee mischt mit - und wieder einmal leidet die Zivilbevölkerung.
Der Bischof der Provinz Chocó, Juan Carlos Barreto, wandte sich vor wenigen Tagen in einem dramatischen Appell an die Öffentlichkeit: "Das Blutvergießen muss gestoppt werden." Regierung und ELN, die nach dem Muster der FARC-Friedensgespräche in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito verhandeln, wollen bis zum Papstbesuch eine Lösung präsentieren, die zumindest einen Waffenstillstand möglich macht.
Partylaune bei der FARC
Derweil wird in der Hauptstadt gefeiert. Mit einem großen Konzert auf der Plaza Bolivar im Herzen Bogotas endete der Gründungsparteitag der FARC. Die älteste Guerilla-Bewegung des Landes ist nun dessen jüngste Partei.
Name und Gesichter bleiben allerdings die gleichen. Nur das Logo ist neu, ein Neuanfang ist das noch nicht.
Noch ist offen, ob Papst Franziskus die alten Kommandanten Rodrigo Londono oder Ivan Marquez, die weiterhin die Geschicke der FARC bestimmen, empfangen wird. "Das liegt an der kolumbianischen Kirche", behauptet FARC-Funktionär Pastor Alape.
In Villavicencio ist ein großer Versöhnungsgottesdienst geplant. Dort sollen aber nicht die Guerillakommandanten, sondern die Opfer des jahrzehntelangen Konflikts im Mittelpunkt stehen. Sie haben unter der Gewalt von rechten Paramilitärs, linken Guerillagruppen und der Armee besonders gelitten. Und sie werden genau hinsehen, wem der Papst die Hand schüttelt.
Papst auf schwieriger Mission
Vergebung und Versöhnung ist ein sensibles Thema, mit Spannung wartet das Land auf die Rede von Franziskus. Es dürfte die schwierigste Predigt der ganzen Reise werden, denn so kompliziert der kolumbianische Konflikt ist, so viele Fallstricke warten auf das Kirchenoberhaupt, wenn er sich dem Thema widmet.
Denn die rechtsgerichtete Opposition um den ehemaligen und immer noch sehr populären Ex-Präsidenten Alvaro Uribe sieht den Papst inzwischen distanziert. Uribe blickt bereits zu den auch in Kolumbien immer einflussreicheren evangelikalen Kirchen, die den konservativen Sektor der katholischen Kirche umwirbt. Auch den gilt es für Franziskus zu berücksichtigen. Ein Spagat, der die ganze Reise kennzeichnen wird.