Mit Papier gegen Feuer
3. August 2007"Hier ist wirklich alles verbrannt, so was habe ich noch nie gesehen", sagt Andreas Hähnel. Den erfahrenen Feuerwehrmann aus dem südbrandenburgischen Mühlberg erreicht man gerade im Einsatz in Nordgriechenland, irgendwo an der albanischen Grenze, genau wo weiß Hähnel selbst nicht. Mit 40 weiteren freiwilligen Feuerwehrmännern hilft er hier den griechischen Kollegen bei der Bekämpfung von Waldbränden. Schon zum fünften Mal ist Hähnel bei dieser internationalen Brigade der Feuerwehrmänner dabei, immer dort, wo es gerade brennt. "So schlimm wie in diesem Jahr waren die Brände aber noch nie", sagt Hähnel. Die griechische Feuerwehr ist nach seinen Erfahrungen völlig überfordert. "Hier fehlt es an Wasser, an Gerät, vor allem aber an Koordination", sagt Hähnel.
"Hier herrscht Chaos"
Europa ist einmal mehr von einer sommerlichen Feuerkrise betroffen: Spanien, Italien, Mazedonien und eben Griechenland. 50.000 Hektar Wald und mehr als hundert Häuser sind hier allein schon in diesem Jahr den Flammen zum Opfer gefallen, vier Menschen kamen bisher ums Leben. Die Regierung in Athen setzt Wehrpflichtige ein, um der unterbesetzten Berufsfeuerwehr zu helfen. "Es gibt eine einzige Feuerwehrleitstelle in Athen, die alles koordinieren soll", berichtet Hähnel. "Hier herrscht Chaos. Das ist noch gar nicht richtig Europa hier."
Richtig Europa ist hingegen in Brüssel, wo man die Waldbrände vorrangig mit Papier bekämpft. Feuerwehr gehört in der Europäischen Union zum Katastrophenschutz, der gehgört wiederum auf Kommissionsebene zur Generaldirektion Umwelt. Von dort kommt nun eine neue Initiative für eine gemeinsame europäische Feuerwehrtruppe. "Die Brände können nur mit Unterstützung europäischer Partner bewältigt werden", sagt EU-Umweltkommissar Stavros Dimas, ein Grieche. "Es ist an der Zeit, den Mechanismus so zu verbessern, dass wir in Zukunft effizienter sein können". Für Waldbrände sollen demnach eine Reserve an Löschtrupps und zehn Löschflugzeuge jederzeit abrufbar bereitgestellt werden - es wäre die erste zentral gelenkte Feuerwehreinheit Europas.
Die Feuerwehr und das Geld
Der griechische Kommissar greift damit die Idee seines französischen Ex-Kollegen Michel Barnier aus dem Jahr 2006 für eine EU-Feuerwehr zur Waldbrandbekämpfung wieder auf. Die notwendigen Euros dafür sollten aus den EU-Solidaritätsfonds kommen. Auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy und der griechische Ministerpräsident Kostas Karamelis machten sich für den Vorschlag stark - der aber in Brüssel wenig Begeisterung auslöst. Zumindest bei den seltener von Waldbränden betroffenen Ländern glaubte man darin den Versuch zu erkennen, Feuerwehrkosten auf die Gemeinschaft abwälzen zu wollen.
Fachleute wie Ralf Ackermann sehen eine ständig abrufbereite EU-Eingreiftruppe ohnehin kritisch. "Wir halten es für nicht sinnvoll, eine feststehende Einheit über den Sommer vorzuhalten und dafür viel Geld auszugeben. Das Problem ist eher das Fehlen eines flächendeckenden Systems an Feuerwehren", sagt der Vizepräsident des Weltfeuerverbandes CTIF. Griechenland etwa verfügt nach den Zahlen CTIF über ganze 34 lokale Freiwillige Feuerwehren und 17.000 aktive Feuerwehrmänner - Deutschland hat eine runde Millionen aktive Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, fast in jedem Dorf steht eine Feuerwache. Bei einem Großeinsatz in Griechenland müssten hingegen die Einheiten der Berufsfeuerwehr zuerst langwierig zusammengezogen werden, bevor das Löschen beginnen kann, sagt Ackermann. "Dieses Problem bliebe bei einem Euro-Feuerwehrcorps natürlich ähnlich."
Datenbank für Löschflugzeuge
Um EU-Hilfe bei der Waldbrandbekämpfung haben bisher Griechenland, Zypern, Italien Bulgarien und Mazedonien gebeten. Koordiniert werden diese Anfragen beim europäischen Monitoring Information Centers (MIC) in Brüssel. Das Beobachtungs- und Informationszentrum der Europäischen Kommission wurde nach den Eindrücken der Terroranschläge des 11. September noch im Oktober 2001 gegründet. Im MIC sollen bei Katastrophen Hilfen vermittelt und bürokratische Hürden abgebaut werden. Wenn ein Land beispielsweise Löschflugzeuge braucht, wird hier in einer Datenbank zentral gesucht, wo welche zur Verfügung stehen - wenn sie denn gemeldet wurden. Dabei gibt es durchaus Defizite, wie man in Brüssel einräumt. "Insgesamt klappt das aber schon ganz gut", sagt Ackermann.
Um das jährliche Flammeninferno am Mittelmeer zu verhindern, bedürfe es ohnehin anderer Maßnahmen als einer Zentralisierung der Feuerwehr, meint Ackermann. Prävention, Aufklärung und eine verantwortliche Forstwirtschaft sähe er gerne gefördert. Hier sieht er die EU am Zug - wie auch die Umweltschutzorganisation WWF. Sie fordert ein Gesetz auf EU-Ebene, das es verbietet, auf abgebrannten Waldflächen zu bauen. "Kaum ist ein Wald abgebrannt, interessieren sich auffallend oft Grundstücksspekulanten für das Gebiet, das sie nie hätten kaufen können, als der Wald dort noch stand", sagt WWF-Expertin Nina Griesshammer.