Recherche im Verborgenen
4. April 2016Für die Redakteure der "Süddeutschen Zeitung" muss der Tag, als die Informationen über die Geschäfte mit den Briefkastenfirmen zugespielt wurden, so etwas wie der berufliche Glückstag gewesen sein. Es sollte sich zu einer großen Geschichte mit langfristiger Nachwirkung entwickeln. Dabei ist schon allein das Vorgehen der beteiligten Journalisten eine spannende Geschichte.
Sicherheit im Vordergrund
So haben die Redakteure der "Süddeutschen Zeitzung" und ihre Kollegen bei den andere Medien ein Jahr unter völliger Geheimhaltung arbeiten müssen. Nicht über die Arbeit reden zu dürfen, sei für Journalisten sehr schwer, sagte Frederik Obermaier, vom SZ-Investigativteam in einem Interview auf sueddeutsche.de. Um sich vor Hackerangriffen zu schützen, benutzte die Redaktion Computer ohne Internetverbindung. Der Server und die Computer standen in einem verschlossenen Raum, zu dem nur Mitglieder des Investigativteams Zugang hatten. "Noch nicht einmal die Chefredaktion durfte hinein – und auch nicht die Putzfrauen. So wurde der Raum erst nach einem Jahr wieder einmal gesaugt", so Obermeier. Regelmäßige internationale Treffen, unter anderem in Washington und London in kleinen Zirkeln, sorgten für den Austausch untereinander. Dazu wurde in einem speziell abgeschlossenen Internetforum korrespondiert.
Problem der Logistik
Das große Problem bestand zu Beginn der Arbeiten vor allem darin, die enorme Datenmenge zu bearbeiten. Bei Offshore-Leaks ging es um rund 260 Gigabyte, bei den Panama-Papers war die Datenmenge zehn Mal so groß - 2,7 Terabyte, 11,5 Millionen Dokumente. Daher entschloss sich die Redaktion, den Internationalen Verein für investigativen Journalismus (ICiJ) ein zu beziehen. So arbeiteten zum Schluss rund 400 Journalisten aus 80 Ländern mit am Rechercheprojekt. "Die Datenmenge konnten wir alleine gar nicht bearbeiten. Da wären wir noch zwanzig Jahre beschäftigt. Wir haben dann Schwerpunkte nach Ländern gebildet." So wurden Themen, die in Deutschland eher zweitrangig sind, jedoch beispielsweise in Südamerika von Belang sind, den Journalisten dort überlassen. Das eigentliche Vorgehen mit der Datenfülle war eher simpel gehalten. So erstellte das Team Listen mit potenziellen Namen und glich sie auf Treffer mit den zugelieferten Daten ab.
Schattenwelt des Geldes
Die Daten stammen aus einer anonymen Quelle, sind aktuell und wurden der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt. Angeblich sollen die Computer der Kanzlei in Panama gehackt worden sein. Unter den Daten sind E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge, Passkopien und zahlreiche weitere Dokumente von mehr als 215.000 Gesellschaften, die die Kanzlei Mossack Fonseca im Kundenauftrag hauptsächlich in Panama und auf den Britischen Jungferninseln gegründet hat. Eine Schattenwelt, in der unheimlich viel Geld fließe, wie Obermaier berichtet. Für den Leiter der Rechercheredaktion von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung", Georg Mascolo, ist das System der Briefkastenfirmen für den Missbrauch ungeheuer geeignet. Mossack Fonseca arbeitete weltweit mit 14.000 Banken und Kanzleien zusammen. 1200 davon waren allein beispielsweise in der Schweiz ansässig – einem Land, das im Rahmen von Steuervergehen immer schon im Fokus stand.
Aufnahe von Ermittlungen
Die Ergebnisse der Recherchen rufen jetzt die internationalen Behörden auf den Plan. So wollen Australien, Neuseeland und Israel untersuchen, ob eigene Bürger oder deren Firmen in den Listen der Kanzlei auftauchen. Auch in Norwegen sorgen die Enthüllungen für Aufregung. So fordert die Industrieministerin Monica Maeland die norwegische Bank DNB zu einer schriftlichen Erklärung über ihre Rolle in der Affäre auf. DNB hatte zugegeben, rund 40 Kunden bei der Gründung einer Offshore-Firma auf den Seychellen unterstützt zu haben.
Isländer sind empört
In Island kann die Geschichte für den amtierenden Premierminister Sigmundur Davio Gunnlaugsson ein Nachspiel haben. Auch er soll gemeinsam mit seiner Frau eine Briefkastenfirma besessen haben. Die Bürger fordern nun seinen Rücktritt. Allerdings wird vermutet, dass er die Geschichte vielleicht aussitzen will und nicht freiwillig geht. In einem Fernsehinterview zeigte der Premier jedoch bereits Nerven und brach die Befragung stammelnd ab. Die Opposition strebt indes Neuwahlen an. 21.000 Isländer haben bislang eine Online-Petition für den Rücktritt ihres Regierungschefs unterschrieben. Dies ist sehr viel bei gerade einmal 330.000 Einwohnern. Die Aufdeckungen zu Island sind nur der Anfang der Veröffentlichungen. "In den kommenden Wochen werden deutsche Geschichten veröffentlicht werden, dann Geschichten aus der Welt des Sports und dann kommen Geschichten von Kollegen aus dem Ausland", gibt Obermeier Einblick, in das, was die Öffentlichkeit noch zu erwarten hat.