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Pakistans Minderheitenminister ermordet

2. März 2011

Er wollte Pakistans umstrittenes Blasphemie-Gesetz reformieren. Dafür wurde Minderheitenminister Shabhaz Bhatti, der einzige Christ im Kabinett, erschossen. Hinter dem Anschlag stecken wahrscheinlich die Taliban.

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Der pakistanische Minister für Minderheiten Shahbaz Bhatti (Foto: EPA)
Musste wegen seiner Kritik sterben: Minderheitenminister Shabhaz BhattiBild: picture alliance/dpa

Der christliche Minister für Minderheiten in Pakistan, Shahbaz Bhatti, ist am Mittwoch (02.03.2011) auf dem Weg zur Arbeit in der Hauptstadt Islamabad erschossen worden. Ihn hätten mindestens zehn Kugeln getroffen, als Bewaffnete auf seinen Wagen feuerten, teilte die Polizei in Islamabad mit. Der Minister sei bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus bereits tot gewesen. Flugblätter am Tatort deuten daraufhin, dass Taliban hinter dem Anschlag stecken.

Mutiger Kämpfer für die Minderheiten

Unterstützer der All Pakistan Minority Alliance (APMA) forden die Freilassung der Christin Asia Bibi (Foto: EPA)
Demonstranten fordern die Freilassung der wegen Blasphemie angeklagten Christin Asia BibiBild: picture alliance/dpa

Hintergrund des Anschlags ist ein seit Monaten tobender Streit um das Blasphemie-Gesetz, das Gotteslästerung unter Todesstrafe stellt. Bhatti, der einzige Christ im Regierungskabinett und Mitglied der Regierungspartei PPP, hatte immer wieder Änderungen an dem harschen Gesetz gefordert. Es würde von muslimischen Extremisten missbraucht, um die Massen aufzustacheln, hatte Bhatti in Interviews kritisiert.

Zudem hatte sich der 42-Jährige für die Christin Asia Bibi eingesetzt. Ein Gericht hatte die mehrfache Mutter im November wegen angeblicher Gotteslästerung zum Tode verurteilt. Derzeit läuft vor dem Obersten Gericht in Lahore ein Berufungsverfahren. Wegen seiner Kritik am Blasphemie-Gesetz hatte der Minister zahlreiche Todesdrohungen erhalten. Er sei aber bereit, notfalls für seine Haltung zu sterben, sagte er noch vor kurzem in Interviews.

Stecken Taliban hinter dem Attentat?

Mit seinen Forderungen hatte sich Batthi unter muslimischen Extremisten viele Feinde gemacht. Sie halten das Blasphemie-Gesetz für gottgegeben und versuchen mit allen Mitteln, Änderungen zu verhindern. Hinter dem Anschlag auf den Minister werden Islamisten der Taliban vermutet. Die Angreifer hätten ein Flugblatt am Tatort hinterlassen, heißt es aus Geheimdienstkreisen. Darauf habe sich eine Taliban-Gruppe aus der Provinz Punjab zu der Tat bekannt und zugleich damit gedroht, dass all jene, die Änderungen am Blasphemie-Gesetz forderten, getötet würden. Pakistans Premierminister Yousef Raza Gilani verurteilte den Mord. "Solche Taten werden die Entschlossenheit der Regierung zum Kampf gegen Terrorismus und Extremismus nicht mindern", sagte er.

Gesetz wird häufig missbraucht

Flagge Pakistans (Foto: DW)
Pakistans Blasphemie-Gesetz stammt noch von 1986

Pakistans Blasphemie-Gesetz ist international, aber auch im mehrheitlich muslimischen Pakistan umstritten. Es verbietet generell die Beleidigung jeder Religion, wird aber in der Praxis schon bei angeblicher Herabsetzung des Islam angewandt. Eine lebenslange Haftstrafe kann bei der Schändung des Koran verhängt werden. Wer den Namen des Propheten Mohammed beleidigt, dem droht die Todesstrafe. In seiner jetzigen Form wurde das Gesetz 1986 von Militärdiktator Muhammad Zia al-Haq eingeführt. Es ist im pakistanischen Strafgesetzbuch verankert und umfasst vier Paragrafen.

Liberale Muslime und Menschenrechtsgruppen sehen in dem Gesetz eine gefährliche Diskriminierung der Minderheiten im Land. Die vage Formulierung des Gesetzes führe dazu, dass es häufig missbraucht werde. Es genügt in vielen Fällen ein bloßer Verdacht, um einen Menschen wegen Gotteslästerung für Monate ins Gefängnis zu bringen. Minderheiten wie etwa Christen werden in Pakistan überproportional häufig angeklagt. Zwar ist bislang nie ein Todesurteil wegen Blasphemie vollstreckt worden, doch mehrere Angeklagte wurden nach ihrer Freilassung gelyncht.

Extremisten auf dem Vormarsch?

Beerdigung von Gouverneur Salman Taseer in Lahore (Foto: DW/Tanvir Shahzad)
Beerdigung des Gouverneurs von Punjab: Auch er wurde Opfer eines religiösen FanatikersBild: DW

Minderheitenminister Bhatti ist nicht der erste Politiker, der wegen seiner Kritik am Blasphemie-Gesetz sterben musste. Zu Jahresbeginn war der Gouverneur der bevölkerungsstärksten Provinz Punjab, Salman Taseer, erschossen worden. Auch er hatte das Blasphemie-Gesetz öffentlich kritisiert. Der Attentäter, ein Leibwächter des Gouverneurs, wird von weiten Teilen der Bevölkerung als Held gefeiert. Das Verfahren gegen den Mörder ist vorerst ausgesetzt, weil der Staatsanwalt aus Angst vor der Rache religiöser Fanatiker den Fall niedergelegt hat. Beobachter sehen darin ein Zeichen für die wachsende Radikalisierung der Muslime in Pakistan.

Im Februar scheiterte eine PPP-Abgeordnete mit dem Versuch, Änderungen des Gesetzes ins Parlament einzubringen. Unter dem Druck islamistischer Massenproteste hatte Premierminister, Syed Youseuf Raza, angekündigt, die Abgeordnete würde die Änderungsvorschläge zurückziehen. Auch sie erhielt Todesdrohungen. 170 Millionen Menschen leben in Pakistan, die Mehrheit sind Muslime, eine kleine Minderheit sind Christen und Hindus.

Autorin: Julia Hahn (mit dpa, rtr, afp)
Redaktion: Nicole Scherschun