Ostermarschierer protestieren gegen Aufrüstung
16. April 2022Bei den traditionellen Ostermärschen sind bundesweit wieder Tausende Menschen auf die Straßen gegangen. Mit Plakaten setzten sie ein Zeichen für Frieden - und protestierten gegen militärische Aufrüstung. Die Kundgebungen richteten sich etwa gegen den russischen Krieg in der Ukraine und die geplanten Milliardenausgaben für die Bundeswehr. "Unsere Forderungen nach Frieden und Abrüstung sind aktueller denn je, auch mit Blick auf die Gefahr einer möglichen nuklearen Eskalation", sagte Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative.
Nach Schätzungen der Polizei kamen etwa in Berlin rund 1300 Menschen zusammen. In Bremen waren es laut Polizei 1200, in Hannover mehr als 500, in München knapp 500 und in Jena rund 400. In Duisburg und Köln nahmen Hunderte Demonstranten an Auftaktveranstaltungen zum dreitägigen Ostermarsch Rhein-Ruhr teil. Auch in anderen Städten wie Stuttgart, Ulm oder Mannheim wurde demonstriert.
Einige der mitgeführten Plakate richteten sich gegen Pläne der Bundesregierung, 100 Milliarden Euro für große Projekte der Verteidigungspolitik bereitstellen zu wollen. In Berlin fand parallel eine zweite Demonstration statt. Am Bebelplatz wurde unter anderem mit ukrainischen Fahnen gegen den russischen Angriffskrieg demonstriert. In einem Aufruf wurde die Aktion als "alternativer Ostermarsch" bezeichnet. Darin wurde kritisiert, der Aufruf der Berliner Friedenskoordination zum traditionellen Ostermarsch in der Hauptstadt erwähne mit keinem Wort die russische Aggression und das Recht auf Selbstverteidigung. Auf Plakaten forderten die Demonstranten etwa "Schwere Waffen jetzt!".
Diskussionen im Vorfeld
Einige Forderungen der Friedensbewegung sorgten vorab bereits für Diskussionen. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, Pazifismus sei im Moment "ein ferner Traum". Russlands Präsident Wladimir Putin habe mit allen Regeln des Völkerrechts gebrochen.
Weil Kriegsverbrechen "offenkundig Teil" des militärischen Vorgehens in der Ukraine seien, weil wehrlose Zivilisten gezielt getötet, Kriegsgefangene hingerichtet und Familien ermordet würden, gelte für ihn, "dass Zuschauen die größere Schuld" wäre, so der Wirtschaftsminister.
Habeck: "Eindeutig, wen wir unterstützen müssen"
Es sei "eindeutig, wer in diesem Krieg Angreifer ist und wer sich in schwerer Not verteidigt und wen wir unterstützen müssen - auch mit Waffen", betonte Habeck mit Blick auf die Ukraine, deren Präsident Wolodymyr Selenskyj auch Deutschland zur raschen Lieferung schwerer Kriegswaffen drängt.
Ähnlich äußerte sich der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Das Motto "Frieden schaffen ohne Waffen" bedeute aktuell eine Arroganz gegenüber den Menschen in der Ukraine. "Pazifismus auf Kosten anderer ist zynisch", sagte der SPD-Politiker dem Bayerischen Rundfunk.
Thierse: "Das ist nicht friedensfeindlich"
Die Ukraine habe ein Recht auf Selbstverteidigung und darauf, Unterstützung zu fordern. "Wir haben zu überlegen, in welch angemessener Form wir dieser Forderung nachkommen. Das ist nicht friedensfeindlich." Gleichzeitig bekannte sich der engagierte Katholik zur christlichen Friedensethik. Das Bibelwort "Schwerter zu Pflugscharen" sei zwar eine Utopie, müsse aber immer wieder in den aktuellen Kontext übersetzt werden, so Thierse.
Alexander Graf Lambsdorff, Bundesvorstand des Koalitionspartners FDP und stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion, hatte zuvor die Ostermarschierer als "fünfte Kolonne" des Kremlchefs kritisiert und ihnen vorgeworfen, sie relativierten mit ihren Aufrufen und Demonstrationen das Vorgehen Moskaus.
Käßmann: Ungerechte Vorwürfe
Die frühere Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, verteidigte dagegen die Friedensdemonstrationen. Es sei nicht gerecht, Menschen, die sich seit Jahrzehnten für den Frieden einsetzten, nun vorzuwerfen, sie stünden auf der Seite Russlands, sagte sie dem Sender NDR Info.
Es brauche mehr Druck auf zivilgesellschaftliche Organisationen in Russland. So müssten etwa Städtepartnerschaften oder Kontakte zu russisch-orthodoxen Priestern genutzt werden, um Einfluss zu nehmen, erklärte Käßmann. Zugleich warnte sie vor einer Eskalation des Krieges - auch durch westliche Waffenlieferungen an die Ukraine.
Bei den Ostermärschen der Friedensbewegung gehen seit 1960 jährlich Tausende Menschen für Frieden und Abrüstung auf die Straße. In diesem Jahr stehen bis Ostermontag bei bundesweit über 130 Kundgebungen Proteste gegen den Krieg in der Ukraine im Mittelpunkt. Das organisierende Netzwerk Friedenskooperative sprach von einem erfolgreichen Start.
In ihren Aufrufen hatten die Friedensgruppen den russischen Angriffskrieg verurteilt und einen sofortigen Waffenstillstand und den Rückzug der russischen Truppen gefordert. Kritisiert werden aber auch eine neue Aufrüstung einschließlich des geplanten Sondervermögens von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sowie Waffenlieferungen, weil sie den Krieg und damit das Leid der Menschen verlängerten und eine Eskalation bis hin zu einem weltweiten Atomkrieg bewirken könnten.
uh/hf/jj/fab (dpa, afp, epd, kna)