"Changes" von Roman Lob
3. Mai 2012Der deutsche HipHopper Thomas D. hatte es immer wieder betont: Seine Aufgabe bei der Casting Show "Unser Star für Baku" sei es nicht nur, der Jury vorzusitzen und den deutschen Eurovision Song Contest-Teilnehmer zu finden, sondern auch, ein Album mit dem Gewinner zu produzieren.
Die Sache sollte also ernst genommen werden. Der Gewinn der Show sollte der Start einer Karriere sein und nicht nur die Fahrkarte zu einem Wettbewerb. Der erste Schritt auf diesem Weg ist nun getan. Das Album "Changes" ist fertig.
Kirchenorgel als Initialzündung
Von seinem Opa, der in seiner Heimatstadt Neustadt Wied in der Kirche Orgel spielte, lernte Roman Lob die ersten Töne auf dem Klavier. Seit er acht Jahre alt ist, macht er Musik. Auf das Piano folgte später das Schlagzeug, und in der Musik-AG der Realschule entdeckte er dann seine Stimme. Die ist einerseits gefühlvoll, warm und freundlich, andererseits von beeindruckender Kraft und vor allem von absolut sicherer Intonation.
Roman Lob war im Laufe der Casting-Wochen für Baku nie der schräge Vogel und nie der skurrile Außenseiter: Seine Interpretationen fühlten sich immer richtig an und hatten echte Emotionen. Genau diese Authentizität ließ ihn schließlich den Wettbewerb gewinnen.
Nicht zum ersten Mal
Schon 2006 hatte Roman Lob einen Versuch gestartet, in einer Casting Show zu landen. Bei "Deutschland sucht den Superstar" gelangte er seinerzeit im Alter von 16 Jahren unter die ersten 20. Doch eine Kehlkopfentzündung verhinderte seine weitere Teilnahme. Das angebotene Freiticket fürs nächste Jahr lehnte er damals ab. Stattdessen widmete er sich seiner Ausbildung zum Industriemechaniker. Musik blieb also Freizeitbeschäftigung. Lob spielte und sang in diversen Bands, doch so ganz konnte er den Traum vom Star nicht aufgeben. 2008 bewarb er sich schon einmal bei einem ESC-Vorentscheid, blieb aber damals erfolglos.
Solides Handwerk
Die Zeiten, in denen man sich für ein Pop-Album mehrere Monate in ein Studio einschloss, sind vorbei. Nur ein paar Wochen verbrachte Roman Lob nach seinem Casting-Sieg auf dem Bauernhof von Thomas D. Dort in der Eifel entstand ein handwerklich perfektes Pop-Album, dem man durchaus anhört, dass es möglichst vielen gefallen soll.
Also gibt es unter den 13 Songs alles, was der Pop Mainstream gut verträgt: Der Eröffnungstrack "Call out the sun" kommt fröhlich beschwingt daher, der Titelsong "Changes" erlaubt sich kleine Abstecher in Richtung Michael Jackson und zeigt, dass Lob durchaus auch funky kann, Songs wie "Conflicted" oder "Alone" präsentieren ihn als Könner auf dem Gebiet der Power-Ballade. Schön wird es wirklich bei den leiseren Tönen, etwa der Ballade "Day by day" oder der zurückgenommenen Soul-Nummer "After tonight".
Das alles ist natürlich hervorragend produziert, und auch die Songs sind perfekt wie auf dem Reißbrett komponiert. Roman Lobs Stimme bewältigt das Repertoire mit Leichtigkeit, doch irgendetwas fehlt: Vielleicht ist es die große Melodie, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt, vielleicht sind es die nicht eingegangenen Wagnisse im Arrangement, die diese Produktion vom Durchschnitt abheben könnten. Einfach nur alles richtig machen ist eben noch keine große Kunst, und vielleicht sind vier Wochen eben doch ein wenig zu kurz, um ein Album mit persönlicher Note vorzulegen.
Im Schatten von Lena
Im Vergleich zu Lena, die im Jahr 2010 den ESC gewann und ihn damit nach Düsseldorf holte, schneidet Roman Lob musikalisch durchaus besser ab. Seine gesanglichen Fähigkeiten sind unbestritten, und er ist in der Lage, einen Song so zu interpretieren, dass sich das Publikum wohlfühlt. Und er kommt sympathisch daher, weil er der Junge von Nebenan geblieben ist: einer, der sich immer solide und bescheiden präsentiert und dessen Ziel eher ein kleines Häuschen für die zukünftigen Kinder als ein Leben in Glanz und Glamour ist.
Der Song "Standing still", der unter anderem vom erfolgreichen Popjazzer Jamie Cullum geschrieben wurde, hat durchaus das Zeug dazu, in Baku im vorderen Drittel zu landen. Ob Roman Lob jedoch mit seinem Auftritt ein Publikum europaweit mitreißen kann, darf bezweifelt werden.
Sein Album "Changes" stieg jedenfalls nur zögerlich in die deutschen Charts ein, und er selbst sagt: "Falls man es verhaut in Baku, dann muss man sich sagen: Kopf hoch, es geht weiter, man muss auch verlieren können."