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Ohne Deutschland kein Krisenmanagement

Nina Haase18. Mai 2012

Wenn es um die Schuldenkrise in Europa geht, prallen beim G8-Gipfel die Meinungen aufeinander. Aber: Niemand kann es sich leisten, Deutschland zu verlieren, sagt der Europaexperte Jan Techau im DW-Gespräch.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel
Beim G8 Gipfel könnte es einsam um die Kanzlerin werdenBild: Reuters

DW: Es scheint immer einsamer um Angela Merkel zu werden - sie scheint sich mit ihrer Sicht, Wachstumsimpulse ohne neue Schulden schaffen zu wollen, immer mehr zu isolieren. Mit welcher Position tritt sie jetzt beim G8-Treffen in Camp David an?

Jan Techau: Sie steht unter sehr hohem Druck, im Bereich der Sparmaßnahmen Zugeständnisse zu machen. Die Sparmaßnahmen werden im europäischen Kontext immer ihr zugeschrieben. Seit Monaten wird Deutschland aufgefordert, mehr Geld in den Markt zu pumpen, sich mehr im Sinne von Keynes zu verhalten, die Wirtschaft also anzukurbeln, indem die Regierungen Geld ausgeben. Dagegen hat sie sich lange hartnäckig gesträubt. Aber seit einigen Wochen weicht sie ihre Position selbst etwas auf - das fing sogar schon vor den französischen Wahlen an.

Als sie sagte, wir könnten den Sparmaßnahmen auch einen kleinen Wachstumspakt hinzufügen, signalisierte sie, dass sie sich durchaus auf so etwas einlassen würde, wenn das im Umkehrschluss den Fiskalpakt vom Dezember letzten Jahres rettet. Sie wird deutschen Zahlungen in ein Wachstumspaket zustimmen, wenn sie dafür eine erneute deutliche Zusage an den Fiskalpakt bekommt. Sie weiß - genau wie alle anderen auch - dass, sobald der Fiskalpakt in Frage gestellt wird, das katastrophale Auswirkungen hätte. Das gilt es zu vermeiden- und das sieht nicht nur sie so.

Zu welchem Anteil ist denn Angela Merkels scheinbarer Strategiewechsel wirklich dem französischen Präsidentenwechsel geschuldet?

Ich glaube, das wird überschätzt. Natürlich wird es für sie schwieriger mit einem französischen Präsidenten, der auf einem Wachstumspakt besteht. Aber wenn man mal genau hinschaut, dann war das ja nie ein richtig drastisches Spardiktat, wie immer behauptet wird. Die deutsche Position ist seit letztem Sommer ein sehr ausgewogener Ansatz: Natürlich zeigt man sich solidarisch und Geld soll ins System gepumpt werden, in die Finanzmärkte, aber auch an Regierungen, und auf der anderen Seite müssen die Empfängerländer eben im Umkehrschluss Sparbemühungen und Strukturreformen unternehmen. Das ist doch ein sehr vernünftiger Ansatz, den man natürlich an einigen Stellen grob verbessern kann, aber das ist doch eine ganz gute Balance. Das wird die Kanzlerin nicht aufgeben. Sie hat sehr viel politisches Kapital investiert. Es ist auch der Preis dafür, die Heimatfront in Deutschland ruhig zu halten.

Das passt ja genau in die Debatte, die seit Wochen geführt wird, dass ja eigentlich alle das Gleiche wollen und Sparen und für Wachstum zu sorgen sich nicht ausschließen. Ist das nicht alles vielleicht auch einfach eine Frage der Kommunikation und unterschiedlicher Rhetorik?

Ganz genau. Der Pakt ist ja viel ausgeglichener als immer behauptet wird, wie vor allen Dingen von Angela Merkels Gegnern behauptet wird. Wäre ich ihr Gegner, hätte ich das natürlich auch so gemacht. Aber in diesem Falle ist das ein unfaires Argument, das gegen ihre Position gebraucht wird. Die ganze Debatte hat viel mit Rhetorik zu tun. Es gibt ja wirklich wenig Alternativen, wenn man sich die Möglichkeiten überhaupt anschaut, was staatliche Ausgaben im keynesianischen Stil erreichen können. Selbst vor der Krise schon konnten einige der Länder, die Transferleistungen erhalten haben, so wie Spanien und Griechenland, nicht einmal all das Geld ausgeben, was sie von der EU in Form von Regionalförderung oder Strukturfonds erhalten haben. Und das war vor der Krise. Also wie sollten sie jetzt eine Riesensumme Geld aufnehmen können, die ihnen einfach in den Schoss geworfen würde mit der Bemerkung 'Macht was draus, bringt eure Wirtschaft in Ordnung'. Das reicht einfach nicht, da hat man noch großen Spielraum. Alles in allem wird hier also viel mit politischer Rhetorik gespielt.

Politikexperte Jan Techau Foto: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. )
Außenpolitik-Experte Jan TechauBild: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V.

US-Präsident Obama betont immer deutlicher, dass die Europäer nicht genug täten, um die Krise in den Griff zu bekommen. Damit meint er ja vor allem Angela Merkel. Was fordert er denn von ihr?

Die Amerikaner wollen von den Deutschen ein klares Signal, dass sie hinter der Lösung der Krise stehen und ihr komplettes wirtschaftliches Schwergewicht in das Krisenmanagement einbringen. Obama braucht ein solches Zeichen auch aus innenpolitischen Gründen. Er befindet sich im Wahlkampf, er muss zeigen, dass er in globalen Angelegenheiten Dinge bewegen kann. Die Amerikaner betrifft ja alles, was die Europäer machen, sehr direkt. Alles hängt zusammen, und wenn es in Europa katastrophale Entwicklungen gäbe, dann wären die Amerikaner davon direkt betroffen. Das ist in Asien nicht anders, wo man Europa auch besorgt beobachtet.

Aber Obama kommt aus einer sehr glaubwürdigen Position, denn er hat den Amerikanern zwei sehr große Wachstumsstimulierungsprogramme verschafft, die der amerikanischen Wirtschaft in der Krise sehr geholfen haben und für die er jetzt von seinen republikanischen Gegnern kritisiert wird. Auch wenn es in den USA sehr viel Widerstand gibt gegen staatliche Interventionen, hat er sich genau dessen bedient, hat riesige staatliche Schulden angehäuft, um die Wirtschaft wieder ans Laufen zu bringen. Das hat den USA geholfen, die Krise relativ gut zu überstehen. Aber ich glaube, dass nicht einmal er Angela Merkel dazu bringen wird, in ihren Grundzügen von ihrem Ansatz abzuweichen - auch wenn die Stimme des amerikanischen Präsidenten natürlich wichtig ist.

In Europa wird es Ihrer Meinung nach also kein großes Wachstumspaket ähnlich wie in den USA geben?

Es wird kleine Maßnahmen - vielleicht sogar ein kleines Wachstumspaket - geben. Es gibt viele Möglichkeiten, wie das ausgestaltet werden kann. Aber mit Sicherheit wird es grundsätzlich bei der Balance bleiben: Solidarität und Finanzierung von der einen Seite, Strukturreformen und Sparbemühungen dafür im Gegenzug von der anderen Seite.

Und das ist ja auch Angela Merkels Position. Würden Sie also sagen, sie ist nicht dabei, sich zu isolieren?

Ja, ich glaube, sie ist keineswegs isoliert. Natürlich wächst der Druck, aber wenn man sich grundsätzlich die Positionen von allen Regierungen ansieht - auch die der französischen Regierung - stellt man fest: Hier geht es doch darum, die Balance und die europäische Einheit aufrechtzuerhalten. Die Europäer haben sich doch erstaunlich einheitlich verhalten beim Bewältigen der Krise - auch wenn das immer anders dargestellt wird. Sie haben oft sehr schnell reagiert: Stabilitätsmechanismen und Rettungsschirme wurden sehr schnell eingeführt, und alle standen dahinter.

Und das kann man nicht genug betonen: Die Europäer haben die ganze Zeit zusammengehalten, und man kann überhaupt nicht von einem deutschen Diktat sprechen, auch wenn das besonders in Griechenland gerne behauptet wird. Und ich glaube, alle erkennen die Notwendigkeit, zusammenzuhalten und die Deutschen eben nicht zu isolieren. Niemand kann sich leisten, Deutschland zu verlieren. Deswegen ist dem Druck, den andere Länder auf Deutschland ausüben können, eine natürliche Grenze gesetzt. Die Realität sieht eben so aus, dass Deutschlands Wirtschaft stark ist, die von Frankreich relativ schwach und die von Griechenland sehr schwach. Und daran ändert auch eine Präsidentschaftswahl in Frankreich nichts.

Jan Techau ist Direktor am Europäischen Institut des "Carnegie Endowment for International Peace" und Experte für EU-Außenpolitik sowie transatlantische Beziehungen.

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