1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

Offener Dialog zwischen China und Japan

Martin Fritz
25. November 2020

Beim Besuch von Chinas Außenminister Wang Yi in Japan vereinbarten die Rivalen, die Wirtschaftsbeziehungen auszubauen und eine Hotline für drohende Eskalation im Ostchinesischen Meer einzurichten. Martin Fritz aus Tokio.

https://p.dw.com/p/3loFi
Japan Tokio | Wang Yi, Außenminister China & Toshimitsu Motegi
Bild: Issei Kato/REUTERS

Wie gehen zwei Nachbarländer miteinander um, die um die politische Vorherrschaft in ihrer Region ringen und zugleich wirtschaftlich eng verbunden sind? Diesen Balance-Akt vollzogen der chinesische Außenminister Wang Yi und seine Gesprächspartner in Japan beim ersten Besuch eines chinesischen Top-Politikers in Japan seit neun Monaten.

Die souveräne Lösung beim zweitägigen Besuch am Dienstag und Mittwoch: Man versicherte sich gegenseitig, dass stabile Beziehungen sowohl für die Region als auch für die Welt wichtig seien. Nach seinem 20 Minuten langen Treffen mit Premierminister Yoshihide Suga erklärte Außenminister Wang, man wolle die Beziehung "passend zur neuen Ära" verbessern.

Japan Tokio | Wang Yi, Außenminister China & Toshimitsu Motegi
Chinas Außenminister Wang (l.) mit Amtskollegen Motegi am Dienstag (24.11.) in TokioBild: Issei Kato/REUTERS

Einerseits betonten China und Japan, den regelbasierten multilateralen Handel aufrechtzuerhalten und auszubauen. Diese Formulierung signalisiert eine Unterstützung von Globalisierung und Handelsaustausch. Den bilateralen Wirtschaftsdialog, der im Frühjahr 2019 neu gestartet wurde, will man im nächsten Jahr fortsetzen. Als Themen wurden Klimaschutz, Energieeinsparung, Gesundheitswesen und digitale Wirtschaft vereinbart.

Andererseits machten die zwei Länder aus ihrer unterschiedlichen Sichtweise von politischen Streitpunkten keinen Hehl, suchten jedoch die Gefahr einer Konfrontation zu entschärfen.

Kein Termin für einen Staatsbesuch

Die sensible Frage eines neuen Termins für die wegen der Corona-Pandemie verschobene Staatsvisite von Chinas Präsident Xi Jinping blieb ausgespart. Ursprünglich sollte Xi im April nach Tokio kommen. Doch auf chinesischer Seite scheint der Optimismus zu überwiegen. "Die wirtschaftlichen Beziehungen könnten zu einer bilateralen Entspannung bei Politik und Sicherheit führen", sagte Professor Lu Yaodong vom Institut für Japan-Studien an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften dem japanischen TV-Sender NHK.

Japan Tokio Demonstration gegen Besuch von Xi Jinping
(Archiv) Die Menschen in Tokio hatten Anfang des Jahres gegen Xis Staatsbesuch protestiert, der für April geplant warBild: DW/C.-L. Cheng

Tatsächlich hat sich der Schwerpunkt im bilateralen Verhältnis in Richtung wirtschaftliche Annäherung verschoben. Nach ihrem Treffen erklärten Außenminister Wang und sein Amtskollege Toshimitsu Motegi nicht nur, dass gegenseitige Besuche und Entsendungen von Geschäftsleuten noch in diesem Monat wieder aufgenommen werden, und dies ungeachtet der stark steigenden Infektionszahlen in Japan.

Die Spitzenpolitiker bekräftigten auch, den neuen Asien-Handelspakt RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) schnell in Kraft zu setzen. Die zehn ASEAN-Länder sowie Japan, China, Australien und Neuseeland hatten den RCEP-Vertrag bei einer Videokonferenz am 15. November unterzeichnet.

Poker um Freihandelsverträge

Beide Länder sind sich der historischen Bedeutung von RCEP voll bewusst. Schließlich waren Japan und China noch nie Partner in einem multilateralen Handelsvertrag. Zusätzliches Gewicht erhält diese Tatsache dadurch, dass Japan mit der Trans-Pazifischen Partnerschaft (TPP) zuvor einen Freihandelsvertrag gefördert hat, der China isolieren sollte.

Hier baute Präsident Xi jetzt eine Brücke zu Japan und zur neuen US-Regierung unter Joe Biden, als er am Freitag erklärte, China erwäge neuerdings eine TPP-Mitgliedschaft. Nach dem Ausstieg der USA unter Präsident Donald Trump kam der Vertrag 2018 unter dem Kürzel CPTPP zustande.

Infografik Karte Handelsabkommen RCEP DE

Eine logische Konsequenz dieser Entwicklungen wäre, dass China, Japan und Südkorea ihre seit Jahren stockenden Verhandlungen über einen trilateralen Freihandelsvertrag stärker vorantreiben und zum Abschluss bringen. Die Herausforderungen bestehen darin, dass die Verhandlungen im Ergebnis über die Abmachungen von RCEP hinausgehen und den heftigen Streit zwischen Tokio und Seoul um Kriegsentschädigungen überwinden müssten.

Dass Außenminister Wang nacheinander Japan und Südkorea besucht, sehen Beobachter in der Region als Signal dafür, dass China seine Wirtschaft stärker mit Japan und Südkorea verbinden und seinen politischen Einfluss über diese Wirtschaftsschiene ausbauen will.

Festhalten an territorialen Ansprüchen

Vor dieser Strategie wollte Japan bei dem Außenministerbesuch nicht die Augen verschließen. Der neue Regierungschef Yoshihide Suga und Außenminister Motegi äußerten ihre "Besorgnis" über Chinas neues Sicherheitsgesetz für Hongkong. Motegi forderte den Schutz der Menschenrechte für die Uiguren-Minderheit in der chinesischen Provinz Xinjiang sowie von japanischen Gefängnisinsassen in China. Größter Streitpunkt bleibt die erhöhte Präsenz der chinesischen Küstenwache nahe den japanischen Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer, die China unter dem Namen Diaoyu als eigenes Territorium beansprucht.

Karte Senkaku Diaoyu DE

Außenminister Motegi forderte China auf, "positive Aktionen" bezüglich chinesischer Schiffe bei den Inseln zu unternehmen. Dagegen forderte Wang, der fließend Japanisch spricht und von 2004 bis 2007 Chinas Botschafter in Tokio war, Japan solle nichts tun, was die Lage in den umstrittenen Gewässern kompliziere. "Beide Seiten sollten ruhig sein und mit dieser Frage angemessen umgehen", sagte Wang nach seinem Treffen mit Suga.

Die Positionen sind unversöhnlich, doch beide Seiten befürchten offenbar eine unkontrollierte Eskalation. In den vergangenen Monaten hatten sich ihre Flugzeuge und Schiffe gegenseitig verfolgt. Daher verabredeten die Außenminister nun, bereits zum Jahresende eine direkte Gesprächsverbindung auf militärischer Ebene einzurichten.