Gegen Entschlüsselungszwang für Chat-Dienste
11. Juni 2019Über 100 Organisationen und Personen haben in einem offenen Brief vor Plänen gewarnt, einen Entschlüsselungszwang für Chat-Dienste wie WhatsApp einzurichten. Eine solche Gesetzesänderung würde unter anderem "das Sicherheitsniveau von Millionen deutscher Internet-Nutzer/innen schlagartig senken", heißt es in dem Brief, über den zuerst das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet hatte. Entsprechende Pläne hatte das Bundesinnenministerium (BMI) Ende Mai bestätigt. Damit sollen klassische Telekommunikation und internetbasierte Kommunikationsdienste künftig gleichbehandelt werden.
"Datenschutz-orientierte Digitalwirtschaft massiv beschädigt"
Bei einer Verpflichtung für Messenger-Dienste, Sicherheitsbehörden den Zugriff auf digitale Kommunikation von Verdächtigen zu ermöglichen, wären die Dienste gezwungen, ihre Verschlüsselungstechnik so umzubauen, dass Behörden bei Verdachtsfällen die gesamte Kommunikation der Nutzer mitschneiden könnten, heißt es in dem Brief. Das käme einem neuen Einfallstor für ausländische Nachrichtendienste und Internetkriminelle gleich, warnen die Unterzeichner. Zudem würde "das internationale Ansehen Deutschlands als führender Standort für eine sichere und Datenschutz-orientierte Digitalwirtschaft massiv beschädigt".
Gegen Hintertüren bei Messenger-Diensten
Der Internet-Verband eco kritisiert zudem, dass die Strafverfolgungsbehörden bislang kaum dokumentiert hätten, in wie vielen Fällen verschlüsselte Kommunikation tatsächlich zum Aus von Ermittlungen geführt habe. "Mit dem Vorhaben, Hintertüren bei Messenger-Diensten zu installieren, entfernt sich das BMI auf direktem Weg von seinen gesamtgesellschaftlichen Schutzpflichten für Bevölkerung und Wirtschaft", sagte eco-Vorstand Norbert Pohlmann.
Zu den Unterzeichnern gehören unter anderen die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der frühere Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, die schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Marit Hansen, der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), der Internet-Verband eco sowie die Organisationen Human Rights Watch und Reporter ohne Grenzen.
sti/jj (dpa)