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Obamas Grundsatzrede ohne Vision

20. Mai 2011

Mit Spannung war die Rede von US-Präsident Barack Obama zur US-Politik im Nahen Osten und Nordafrika erwartet worden. In den Augen der meisten Kommentatoren hat der Präsident die hohen Erwartungen aber nicht erfüllt.

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Barack Obama vor US-Flaggen (Foto: AP)
US-Präsident Barack Obama bei seiner Rede zur Nahost- und Nordafrika-PolitikBild: AP

"Enttäuschend" nennt Jim Carafano, außenpolitischer Experte der konservativen Heritage Foundation die Rede. Sie zeige, dass die USA in der arabischen Welt so gut wie keinen Einfluss mehr hätten. In den letzten Monaten sei die US-Regierung der Entwicklung im arabischen Raum stets hinterhergelaufen, kritisiert er und zählt auf: Obama habe den Rücktritt Mubaraks gefordert, als klar wurde, dass dieser gehen muss. Er habe sich an die Seite der Menschen in Libyen gestellt, als der Bürgerkrieg bereits ausgebrochen war. Und er habe Syrien verurteilt, nachdem alle anderen das auch getan haben. Obama "jubelt immer nur dann, wenn es alle anderen auch tun und zeigt keine Führungsstärke," meint Carafano.

Die Unterstützung der Menschen im Iran sei in der Rede nicht entschieden genug gewesen, kritisiert er weiter. Der US-Präsident bleibt bei seiner Politik, von Fall zu Fall zu entscheiden: Zwar hat die US-Regierung in dieser Woche die Sanktionen gegen Syrien und Präsident Baschar al-Assad verhängt, den unbedingten Rücktritt Assads verlangte Obama in seiner Rede allerdings nicht. Assad habe immer noch die Wahl, sich an die Spitze der Reformbewegung zu stellen, erklärte der Präsident. Obama erwähnte Bahrain, ließ aber Saudi-Arabien außen vor.

Finanzhilfen nur symbolisch

Die Finanzhilfe für Ägypten - Schuldenerlass und Kredite in Höhe von je einer Milliarde US-Dollar - nennt Carafano "lächerlich" angesichts der enormen wirtschaftlichen Probleme des Landes. Präsident Obama "hat erklärt, dass die Handelsbeziehungen verbessert werden sollen, und dabei bringt er noch nicht einmal ein Handelsabkommen mit Südkorea zustande, einem unserer engsten Verbündeten."

Barack Obama vor seinem Publikum (Foto: AP)
Bild: AP

Lawrence Korb vom liberalen Center for American Progress, der Obamas Rede insgesamt für wesentlich gelungener hält, bezeichnet die Finanzhilfen als "Schritt in die richtige Richtung", fährt aber fort: "Eigentlich ist es nur eine Umverteilung von Geld." Ägypten habe schon immer viel Geld von den USA bekommen. Auch der Schuldenerlass habe vor allem symbolische Bedeutung: "Das ermöglicht einer neuen Regierung - zumindest was die Beziehung zu den USA angeht - einen Neuanfang."

Der Präsident habe damit allerdings gezeigt, so Korb, dass man erkannt habe, dass eine demokratische Entwicklung angesichts von wirtschaftlichen Problemen schwierig sei. Und er habe internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und den Internationalen Währungsfond aufgerufen, ihre Ideen beizusteuern.

USA ohne Macht und Einfluss

Das macht deutlich, wie wenig Einfluss die USA in der Region haben. Korb formuliert es positiv: Selbst wenn die US-Regierung die Entwicklung in den arabischen Ländern immer vorausgesehen hätte, hätte man nichts tun können. "Hier geht es nicht um uns, das ist nicht das gleiche wie etwa der Fall der Berliner Mauer und unsere Beziehung zur Sowjetunion."

Wenig Einfluss hat Barack Obama in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit auch auf den Nahost-Friedensprozess nehmen können, obwohl er ihn zur Chefsache erklärt hatte. Doch der Neustart der Friedensgespräche im letzten Jahr kollabierte schon nach wenigen Wochen, und es sieht derzeit nicht so aus, als würde er wieder in Gang kommen, darin sind sich die Experten einig.

Keine guten Aussichten für den Nahost-Friedensprozess

Der US-Präsident selbst erklärte zwar, er halte ein Wiederaufleben des Friedensprozesses für möglich, legte aber keinen konkreten Plan vor. Er forderte wie schon zuvor beide Seiten zu Zugeständnissen auf. Er machte deutlich, dass er nichts von dem Vorhaben des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas hält, den Staat Palästina im September bei der UN-Vollversammlung anerkennen zu lassen. Und er brüskierte die Israelis, als er erklärte, die Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern sollten auf Grundlage der Grenzen von 1967 geführt werden. Obama hatte bereits früher angedeutet, dass er diese Ansicht vertritt, es ist aber das erste Mal, dass ein US-Präsident sich diese Forderung der Palästinenser offiziell zu eigen macht.

Barack Obama am Rednerpult, neben und hinter ihm US-Flaggen (Foto: AP)
Bild: AP

Keine guten Voraussetzungen für das Treffen des US-Präsidenten an diesem Freitag (20.05.2011) mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Weißen Haus. Netanjahu wird außerdem in der nächsten Woche eine Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses halten, am Wochenende sprechen sowohl Obama als auch Netanjahu auf einem Kongress der einflussreichsten US-israelischen Lobby Gruppe AIPAC. Lawrence Korb erwartet auch davon keine Fortschritte: "Das große Problem derzeit ist, dass die Israelis sagen, dass sie nicht mit einer Regierung sprechen, der die Hamas angehört." Das Abkommen der regierenden Fatah-Partei mit der radikalislamischen Hamas sei deswegen ein großes Problem, das sich nicht an einem Wochenende lösen lasse.

Für das heimische Publikum

Doch Obamas Rede richtete sich nicht nur an Israelis, Palästinenser und die arabische Welt - sie war vor allem für das heimische Publikum gedacht, erklärt Dr. James Zogby, Präsident des arabisch-amerikanischen Instituts in Washington. Und zwar für die Abgeordneten im Kongress, die angesichts des US-Haushaltsdefizits gerade dabei sind, über Haushaltskürzungen zu verhandeln. "Wenn der Kongress demokratischen Wandel unterstützen will, dann müssen sie dem Präsidenten Zugeständnisse machen." Es sei sehr wichtig, diesen Teil des Etats nicht zu kürzen und die Initiativen zu unterstützen, die Menschen in aufstrebenden Demokratien beim Aufbau einer Wirtschaft helfen. "Der Präsident kann das nicht alleine machen."

Auch der Teil der Rede, der die Aufstände in der arabischen Welt in den Gesamtzusammenhang stellt, sei bei dem amerikanischen Publikum sicher gut angekommen, meint Zogby. Bei den Menschen der arabischen Welt werde die Reaktion vermutlich anders ausfallen. Ihnen müsse man Ereignisse, die sie selbst erlebt haben, nicht erklären.

Autorin: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Julia Elvers-Guyot