Obama sucht die Offensive
10. August 2013Es war kein leichter Auftritt für Präsident Obama. Wie umzingelt wirkte er zuletzt von anhaltenden Konflikten in der Innen- und Außenpolitik. Kurz vor Antritt seines Sommerurlaubs wollte er offensichtlich wieder in die Offensive kommen. Dazu wählte er zwei besonders umstrittene Themen - die nicht nur für die USA, sondern auch für Deutschland und die Verbündeten von großer Bedeutung sind.
Erstens: die Überwachungsprogramme der National Security Agency (NSA), die in Europa für heftige Diskussionen sorgen und auch immer mehr Amerikaner beunruhigen. Und: das angespannte Verhältnis zu Russland, das nach Obamas beispielloser Absage des für Anfang September geplanten Treffens mit dem russischen Präsidenten Putin in Moskau auf einem Tiefpunkt angelangt zu sein scheint.
Unfreiwillige Ironie der Zeitgeschichte: In beiden Konflikten spielt der Whistleblower Edward Snowden eine Rolle. Er hatte die US-Regierung durch Veröffentlichung über die umfangreichen Überwachungsprogramme außen- und innenpolitisch in schwierige politische Fahrwasser gebracht.
Gleichzeitig war es Russlands Zusage auf einjähriges Asyl an Snowden, welche letztlich die Absage von Obamas Moskaureise auslöste.
Paradoxe Situation um Snowden
Obama ging bei seiner Pressekonferenz im Weißen Haus kurz auf Snowden ein. Jener sei "kein Patriot", sagte er auf Nachfrage. Allerdings gestand Obama erstmals ein, dass seine jetzt verkündeten Maßnahmen zur NSA ohne Snowden nicht so schnell gekommen wären. "Wir sehen da eine ziemlich paradoxe Situation, in der Snowden wegen Verbrechen gesucht wird.Und zur gleichen Zeit haben wir eine Regierung, die anerkennt, dass sie durch seine Taten zu einer Überprüfung der bisherigen Politik angespornt wurde", sagt Cory Welt, Stellvertretener Direktor des Instituts für Europäische, Russische und Eurasische Studien an der Washingtoner Elliott School, der Deutschen Welle.
Mehr Kontrolle bei Überwachung: Obama will Vertrauen zurückgewinnen
Mit seiner Ankündigung von mehr "Transparenz" und Kontrolle für die NSA und der Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission will Obama offensichtlich Vertrauen bei seinen Landsleuten zurück gewinnen: Mehr als die Hälfte der Amerikaner misstraut ihm nach jüngsten Umfragen und vermutet, dass die erfassten Daten nicht nur zur Terrorbekämpfung genutzt werden. "Was der Präsident anspricht, ist die Sorge der Amerikaner und Verbündeten über das Ausmaß der Überwachungsprogramme", sagt Mark Jacobsen vom German Marshall Fund.
Doch auch wenn Obama bei der Pressekonferenz eine "neue Ära" für die Geheimdienste ankündigte, warnt Jacobsen vor einem Missverständnis: "Ich würde nicht den Fehler machen, darin eine Distanzierung zu sehen. Ich habe nichts gehört, das nahelegt, er wolle die Überwachungsprogramme begrenzen oder zurückfahren." Während aus Obamas Demokratischer Partei Unterstützung für die neue Linie signalisiert wird, warf der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, John Boehner, dem Präsidenten mangelnde Unterstützung für das Überwachungsprogramm vor.
Kälteperiode im amerikanisch-russischen Verhältnis
Zustimmung aus beiden Parteien erhält Obama dagegen für seine Russlandpolitik. Auf der Pressekonferenz verordnete er für das russisch-amerikanische Verhältnis erst einmal eine Sendepause. Man werde "innehalten und neu einschätzen, wohin Russland geht, was unsere Kerninteressen sind", und von amerikanischer Seite die "Beziehung darauf abstimmen“, sagte er.
Auch wenn Obama behauptete, dass er mit Putin ein gutes Verhältnis habe: Es wurde klar, dass er angesichts ungelöster Konflikte von Syrien bis Iran ungeduldig und frustriert ist. "Die Absage des Gipfels war aus seiner Sicht wohl unvermeidbar", so Cory Welt, "aber er wies auch darauf hin, dass es eine Agenda zwischen beiden Ländern gibt, an der man arbeiten sollte." Es war daher ein vielversprechendes Signal, dass in Washington zwei Tage nach Obamas Besuchsabsage das lang geplante Treffen der beiden Außen- und Verteidigungsminister stattfand.
"Ich bin sicher, die Russen waren versucht es abzusagen. Und wenn man auf die Körpersprache der Minister achtet, dann legt sie nahe, dass es sehr angespannte Gespräche waren", so Welt. Dennoch ging von ihnen das gleiche Signal aus wie auch von Obamas Pressekonferenz: Trotz aller Differenzen will man konstruktiv zusammenarbeiten und das Verhältnis nicht ins Bodenlose abrutschen lassen. In dieses Bild passt auch die deutliche Absage des Präsidenten gegenüber Forderungen aus dem Kongress, die Olympiade im russischen Sotschi zu boykottieren.
Welche Botschaft hat Obama?
Die Annullierung der Moskaureise sei eine "taktische Entscheidung", schrieb die Washington Post. Auf lange Sicht könnten die Beziehungen aber nur "mit Engagement auf der höchsten Ebene" funktionieren. Und mit einer klaren Botschaft, die gerade auch nach den jüngsten Übergriffe auf Homosexuelle in Russland stärker Werte wie Menschenrechte und Demokratie betonen müsste.