Nur kleine Fortschritte in Afghanistan
24. November 2010Die höhere Zahl von US-Truppen in Afghanistan hat die Lage am Hindukusch nicht entscheidend verbessert. "Die Fortschritte im Land sind weiterhin uneinheitlich", heißt es in einem Bericht des Verteidigungsministeriums an den US-Kongress, der den Zeitraum von April bis September betrachtet. Zu verzeichnen gebe es "bescheidene Zugewinne bei Sicherheit, Regierungsführung und Entwicklung". Zwar komme die Entwicklung der Region um die Hauptstadt Kabul voran und auch die wirtschaftliche Lage verbessere sich langsam, doch diesen "Anzeichen für Fortschritte" stünden nach wie vor "bedeutende Herausforderungen" entgegen, heißt es in dem Dokument, das dem Kongress am Dienstag (23.11.2010) in Washington vorgelegt wurde.
"Aufstand zeigt sich widerstandsfähig"
In "einigen Regionen" hätten die radikalislamischen Taliban "die Initiative behalten", während in anderen Gebieten die US-Truppen und ihre NATO-Verbündeten ihre Kontrolle hätten ausbauen können, schreiben die Pentagon-Experten weiter. Die Gewalt habe einen Höchststand erreicht: Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl gewalttätiger Vorfälle um 70 Prozent gestiegen, im Vergleich zu 2007 habe sie sich verdreifacht. Das sei vor allem auf die Ankunft der zusätzlichen Truppen zurückzuführen, die Präsident Barack Obama entsandt hatte.
Jedoch hätten die Bemühungen, die Versorgung mit Nachschub aus Pakistan und dem Iran zu stoppen und dortige Rückzugsgebiete zu verringern, "keine messbaren Ergebnisse" erbracht. "Der Aufstand zeigt sich mit Blick auf Logistik, Kommando und Kontrolle widerstandsfähig", urteilt das Verteidigungsministerium. Die Taliban würden auch von der Erwartung profitieren, dass die ausländischen Truppen Afghanistan bald verlassen könnten und damit ein Sieg der Taliban unausweichlich sei.
"Zentrale Rolle" der Bundeswehr
Die USA haben derzeit knapp 100.000 Soldaten in Afghanistan stationiert, ihre Verbündeten weitere 50.000. Dabei sprach der Kommandeur der internationalen Afghanistan-Schutztruppe, US-General David Petraeus, den 5.000 deutschen Soldaten eine "zentrale Rolle" zu. Deutschland hat nach den USA und Großbritannien das drittgrößte Truppenkontingent nach Afghanistan entsandt. Petraeus dämpfte nach einem Gespräch mit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Hoffnungen auf einen zügigen Abzug der internationalen Kräfte.
Im kommenden Jahr könnten die Truppen zwar in einigen Regionen und unter bestimmten Voraussetzungen reduziert werden, sagte Petraeus in Berlin. Dann würde es sich jedoch empfehlen, diese Kräfte zum Teil zur Verstärkung in andere problematische Distrikte zu schicken. Petraeus würdigte die bisherigen Fortschritte in dem Einsatz, betonte aber, es stehe noch "sehr harte Arbeit" an.
Tornado-Einsatz ist beendet
Auch Guttenberg sagte, Afghanistan lasse keine euphorische Perspektive zu. Nötig seien eine "realistische Betrachtung" und viel Geduld. Deutschland halte an der Mission fest und unterstütze die Strategie von Petraeus, die eine verstärkte Ausbildung einheimischer Soldaten und Polizisten vorsieht. Erste Erfolge seien bereits sichtbar, von einigen gesteckten Zielen sei man aber noch weit entfernt. "Wir werden einen langen Atem brauchen", sagte der Minister. Deutschland fühle sich weiter verpflichtet, die internationale Gemeinschaft zu unterstützen. Es war das erste Treffen von Petraeus und Guttenberg seit der Einsetzung des US-Generals als neuer Kommandeur im Juli.
Der einst höchst umstrittene Einsatz deutscher Tornado-Flieger in Afghanistan ist inzwischen beendet. Die sechs Aufklärungsjets sollten in der kommenden Woche nach Deutschland zurückkehren, teilte die Luftwaffe mit. Guttenberg hatte im September entschieden, die Tornados abzuziehen und stattdessen die Ausbildungstrupps der Bundeswehr in Nordafghanistan um 90 Soldaten zu verstärken.
Abzugsszenario steht
Die NATO-Länder hatten vor wenigen Tagen auf ihrem Gipfel in Lissabon vereinbart, den Kampfeinsatz in Afghanistan bis 2014 zu beenden. Spätestens ab Mitte kommenden Jahres soll die Sicherheitsverantwortung schrittweise an die Afghanen übergeben werden. In einem Gespräch mit der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle diese Ziele noch einmal bekräftigt. "Wenn die Übergabe gelingt, sollen die letzten Kampftruppen 2014 das Land verlassen", sagte der FDP-Politiker. Danach werde man aber weiter Verantwortung für Afghanistan übernehmen, "etwa beim zivilen Aufbau oder dem Training für Sicherheitskräfte".
Autor: Rolf Breuch (afp, dapd, dpa)
Redaktion: Sabine Faber