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"Nur eine riesige Autobahn"

15. Oktober 2009

Dänemark ist eines der deutschen Nachbarländer, die nicht unmittelbar vom Fall des Eisernen Vorhangs betroffen waren. Dennoch hatten die Ereignisse vor 20 Jahren Einfluss auf das Deutschlandbild der Dänen.

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Der Vergnügungspark "Tivoli" in Kopenhagen (Foto: dpa)
Der Vergnügungspark "Tivoli" in KopenhagenBild: picture-alliance/ dpa

Im Interview: Der Schriftsteller Knud Romer ist Sohn einer deutschen Mutter und eines dänischen Vaters. Mit seinem ersten Roman "Wer blinzelt hat Angst vor dem Tod" erregte er in Dänemark großes Aufsehen. Romer verarbeitete darin die Geschichte seiner deutsch-dänischen Familie und seine schwierige Jugend. Als "deutsches Schwein" wurde er von seinen dänischen Mitschülern damals oft beschimpft.

DW-WORLD.DE: Deutschland und Dänemark sind Nachbarstaaten. Man hat aber lange gesagt, das gegenseitige Interesse sei nicht so groß. Stimmt das?

Der dänische Schriftsteller Knud Romer (Foto: dpa)
Der dänische Schriftsteller Knud RomerBild: picture alliance / dpa

Knud Romer: Ja, das stimmt schon. Das ist jetzt Gott sei Dank vergangen, aber das Interesse begrenzte sich eigentlich fast ganz auf ökonomische Dinge: Die Deutschen waren interessiert, hier Ferien am Strand zu machen. Und die Dänen waren interessiert, die deutsche D-Mark zu bekommen. Sonst war Deutschland eigentlich nur eine riesige Autobahn, wo man schnellstmöglich durchkommen wollte, um nach Frankreich oder Italien zu gelangen.

Aber war es nicht auch ein wenig ein Hassobjekt, um es einmal übertrieben zu formulieren? Wir erinnern uns 1992, die Europameisterschaft: "Deutschland, Deutschland, alles ist vorbei" lauteten die Gesänge. Es gab doch nichts Schöneres, als diesen großen Nachbarn im Finale der Fußball-Europameisterschaft zu schlagen…

Jubelnde deutsche Fußballfans mit Fahnen (Foto: dpa)
Imagewandel durch die WMBild: AP

Nein, natürlich sahen die Dänen die Deutschen als Sündenbock. Auch noch viele Jahre nach dem Krieg. Aber der richtige Durchbruch war dann die deutsche Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt: Der Krieg ist vorbei. Da ist nichts mehr. Es ist restlos vorüber. Und die Dänen haben zu den Deutschen gehalten.

Zwischen Deutschland und Dänemark gibt es ja noch einen Riesenunterschied und zwar das Verhältnis zu Europa. Die Dänen sehen Europa immer als etwas, das von außen hereinkommt, etwas nahezu Gefährliches.

Deutschland und sein Nachbarland Dänemark (DW-Grafik: Peter Steinmetz)
Bild: DW

Die Dänen leben oder haben sehr lange in einem Traum von sich selbst gelebt. Und jede Untersuchung zeigt, dass die Dänen denken: Wir sind das beste Land der Welt. Wir sind das toleranteste, das beste, das reichste, das sozial-sicherste - überhaupt, wir sind das Land von Milch und Honig. Jeder Einfluss aus Europa wird alles schlechter machen.

Die Deutschen haben geschafft, was die Dänen noch nicht geschafft haben, nämlich eine weibliche Bundeskanzlerin zu wählen. In Dänemark entspräche das einer weiblichen Ministerpräsidentin…

Helmut Kohl und Angela Merkel (Foto: dpa)
Helmut Kohl und Angela MerkelBild: dpa

Ich liebe Frau Merkel! Vielleicht auch, weil Helmut Kohl so ein Riese war. Irgendwie war damit das große, unüberwindliche Deutschland, mit dem man überhaupt nicht herumtanzen kann, sehr körperlich ausgedrückt. Jetzt kommt eine Frau. Das ist dann ein bisschen leichter, mit der herumzutanzen, zumindest vom Prinzip. Aber ich denke schon, dass sie beim Tanzen die Führung übernehmen würde.

Erhofft man sich etwas von Deutschland für die Zukunft?

Ich glaube immer noch, dass die Dänen die "Lokomotive Deutschland" erwarten. Dass die deutsche die dänische Ökonomie in Gang bringt und in Gang hält und vorwärts zieht. Das ist der dänische Glaube an Deutschland: "Bitte kauft unsere Sachen, damit wir nicht ganz arm werden."

Heinrich Heine saß in Paris und blickte sehr sorgenvoll nach Deutschland. Wir sitzen in Kopenhagen. Wenn Sie nach Deutschland blicken, gibt es etwas, was Ihnen auffällt, was Sie besorgt oder im Gegenteil optimistisch stimmt?

Wenn man in so großen Zusammenhängen denkt, wird alles stereotyp. Jeder ist besorgt, wie es Ost und West geht. So, wie ich es verstanden habe, gibt es immer noch ein Ost und West, ein reiches und ein armes Deutschland. Und das ist wahnsinnig gefährlich, weil die rechten Kräfte immer von Ressentiments, Kleinbürgern und Leuten leben, deren Leben irgendwie kaputt gegangen ist. Außerdem stellt sich die Frage: Wie geht man mit der multikulturellen Gesellschaft um? Da schauen viele Leute nach Deutschland. Erstens weil die Deutschen historisch ja sehr aufgeschlossen sind und so viele Leute nach Deutschland reinlassen, wie überhaupt möglich. Und man guckt nach Deutschland, um zu sehen, ob es ein Modell gibt, das ein Land in allen Schichten zusammenhalten und wirtschaftlich produktiv sein kann. Denn wenn das in Deutschland gelingt, kann es auch in Dänemark, Frankreich und allen anderen Staaten gelingen.


Das Gespräch führte Marc-Christoph Wagner.

Redaktion: Andreas Ziemons