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Gewalt im Fußball

14. November 2011

Stadionverbot, Alkoholverbot, Stehplatzverbot: die Liste der Forderungen nach den jüngsten Krawallen in Stadien ist lang. Politiker und Funktionäre kommen nun an einem Runden Tisch zusammen - ein Patentrezept hat keiner.

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Brennende Pyrofackeln im Dortmunder Stadion (Foto: dapd)
Gefährlich: Pyrofackeln im StadionBild: dapd

Vereine und Verbände sind ratlos. Trotz eines Zehn-Punkte-Planes, der noch im letzten Jahr verabschiedet wurde, sieht sich der deutsche Fußball weiter einem Gewaltproblem gegenüber. "Wir wollen Stadien, in denen es Freude und Spaß machen kann, sich Fußballspiele anzusehen und nicht auf vermummte Gewalttäter zu treffen, die dort aus vermeintlich falsch verstandener Fankultur mit Pyrotechnik Gefahren für andere herbeiführen", stellte DFB-Präsident Theo Zwanziger klar.

Als erste Maßnahme wiesen die Fußballverbände DFB (Deutscher Fußball-Bund) und DFL (Deutsche Fußball Liga) den Antrag zur Legalisierung von Pyrotechnik zurück. Dann beantragte der Kontrollausschuss beim Sportgericht, Dynamo Dresden aus dem Pokalwettbewerb der kommenden Saison auszuschließen. Denn Dresdner "Fans" hatten während des DFB-Pokalspiels bei Borussia Dortmund wiederholt für Ausschreitungen gesorgt. "Der Verein muss verantwortlich sein für seine Fans", urteilte Zwanziger. Nicht nur für die Dresdner, die Widerspruch einlegten, sieht das wie Aktionismus aus. Es sollte ein Exempel statuiert werden.

Polizei fordert generelles Alkoholverbot

Die Polizei empfängt Gästefans (Foto: dpa)
Die Polizei empfängt Gästefans gleich am BahnhofBild: picture alliance/dpa

Wie hilflos ein Fußballverein den üblen Machenschaften einiger Fans gegenüber steht, zeigt ein Blick in die Bundesliga: Mehrfach hat es dort Ausschreitungen und Gewalt gegeben. Die Polizei verzeichnete erst kürzlich einen Verletzten-Höchststand bei Fanausschreitungen. Die erschreckende Zunahme gewaltbereiter und gewaltsuchender Fußball-Gewalttäter um über 900 Personen auf eine Gesamtzahl von nahezu 9700 Störer zeige, dass bisher getroffene Maßnahmen das Gewalt-Problem rund um den Fußball offenbar noch nicht wirksam anpacken konnten, erklärte Bernhard Witthaupt, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Sein Appell: Vereine und Fans müssen Hooligans und Krawallmachern signalisieren: 'Wir wollen euch hier nicht haben. Ihr macht den Fußball kaputt!' Zudem fordert Witthaut einen Gehörschutz für alle Polizisten bei Angriffen mit Knallkörpern und ein generelles Alkoholverbot - auch für den Anreiseweg.

Gleiches war von der Innenministerkonferenz zu hören, die kürzlich stattfand und sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigte. Die Forderungen reichen mittlerweile von der Einführung personalisierter Eintrittskarten auch bei Auswärtsspielen, erhöhten Eintrittspreisen durch Sicherheitszulagen, lebenslangen Stadionverboten, dem kompletten Ausschluss von Gästefans bis hin zur Abschaffung der Stehplätze. All dies soll bei einem Runden Tisch an diesem Montag (14.11.2011) in Berlin diskutiert werden - von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sowie Vertretern von DFB und DFL.

Jugend stärken, Straftäter schneller bestrafen

Populistische Maßnahmen, urteilt das bundesweit grüßte Fanbündnis "Unsere Kurve", in dem sich 14 Fanorganisationen zusammengeschlossen haben. Auf die Bedürfnisse der Fans werde nicht eingegangen. "Die Strafenpolitik geht weit am Ziel vorbei, um die negativen Begleiterscheinungen in Zukunft zu minimieren", erklärte etwa Christian Bieberstein vom Supporters Club aus Hamburg in einer Pressemitteilung. "Wer Gewalt im Fußball verdrängen will, darf als Verband diese Verantwortung nicht allein auf die Vereine abwälzen." Auch Mark Fauler vom Fanprojekt Köln bezweifelt die Effektivität solcher Strafmaßnahmen. "Natürlich würde man ein paar Chaoten ausschließen, würde aber auch eine große Masse junger, friedlicher Fans gar nicht mehr zum Fußball hinlassen und das würde auf lange Sicht bedeuten, dass die Fankultur ausstirbt und damit die Attraktivität der Liga geschmälert wird." Abschreckende Wirkung hätte die schnellere Verurteilung von Straftätern, meint Rainer Mendel, Fanbeauftragter des 1. FC Köln. "Man muss Leute, die auffällig werden, sanktionieren. Das muss konsequent und auch möglichst schnell abgehandelt werden." Aber man müsse auch mit den jungen Menschen weiterarbeiten. "Man muss sie wieder versuchen zu integrieren. Und das ist sicherlich die große Herausforderung für die Zukunft."

Riesiges Fan-Banner im Dortmunder Stadion (Foto: dpa)
Es geht natürlich auch friedlich - und mit IdeenBild: picture alliance/dpa

Der Soziologe und Fanforscher Gunter Pilz mahnt zur Besonnenheit. Selbstverständlich müsse man solche Vorfälle "skandalisieren". Er glaube aber nicht, dass Gewalt gänzlich aus dem Fußball verschwinden könne und plädiert für den Dialog. Denn für viele Fans sei polizeiliches Handeln überhaupt nicht nachvollziehbar. "Da werden pauschal alle in Sippenhaft genommen und vielen Jugendlichen wird nicht klar, warum die Polizei in welcher Weise reagiert, was man dagegen machen kann." Es sei ein Kommunikationsproblem. Die Erfahrungen der Fanbeauftragten, aber auch der Polizei, der Justiz und der Vereine sollen in einer "Task Force Sicherheit" zum Tragen kommen, den DFB und DFL beim Runden Tisch ins Leben rufen wollen. Denn wie auch die Vereine fühlten sich die Verbände überfordert, räumt DFL-Präsident Reinhard Rauball ein: "Es hat eine Entwicklung gegeben, die sich an verschiedenen Stellen entladen hat. Wir stellen fest, dass die Gewalt in der Intensität zugenommen hat und dass wir natürlich versuchen müssen, Lösungen zu finden. Da ist der Fußball sicher bereit, seinen Beitrag zu leisten, aber er kann nicht alles machen."

Autorin: Olivia Fritz
Redaktion: Wolfgang van Kann / Christian Walz