Wer darf in den Gerichtssaal?
28. März 2013"Türkische Presse nicht erwünscht", titelt die in Deutschland erscheinende türkischsprachige Tageszeitung Hürriyet. Die Schlagzeile ist Ausdruck des allgemeinen Unverständnisses, das nun auch von Seiten der deutschen Politik immer stärker geäußert wird. Das Oberlandesgericht München, vor dem das Verfahren gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und ihre vier Mitangeklagten am 17. April eröffnet wird, zeigt sich bislang jedoch unnachgiebig. Zschäpe wird vorgeworfen, an den Morden der rechtsextremistischen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) beteiligt gewesen zu sein. Acht der zehn Opfer waren türkischstämmig, daher ist das Interesse an dem Prozess sowohl unter den Türken in Deutschland als auch in der Türkei sehr groß.
Kritik gibt es nun vor allem an dem Vergabeverfahren der für die Presse reservierten Plätze. Das Gericht vergab 50 der 100 öffentlichen Plätzen an Medienvertreter, und zwar in der Reihenfolge der von den ihnen gestellten Anträge. Die ersten 50 Antragsteller erhielten also einen Platz, alle anderen gingen leer aus. Unter den erfolgreichen Anmeldern befanden sich jedoch ausschließlich Vertreter deutscher Medien, darunter alleine fünf verschiedene öffentlich-rechtliche Rundfunksender.
Vorbild Kachelmann-Prozess
Die Vergabe dieser Plätze ist in Deutschland rechtlich nicht eindeutig geregelt. "Es gibt aber das Gebot, dass nach sachlichen Gesichtspunkten entschieden wird. So darf ein Vorsitzender sich nicht handverlesen Medienvertreter aussuchen, die ihm genehm sind", erklärt Wolfgang Hoffmann-Riem, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Das bedeute jedoch keinesfalls, dass nach der Reihenfolge der eingegangenen Anfragen vorgegangen werden müsse.
Eine Alternative wäre beispielsweise gewesen, eine bestimmte Anzahl der Plätze für türkische Medienvertreter zu reservieren, da die meisten der NSU-Opfer türkischstämmig waren. Eine ähnliche Regelung gab es beim Prozess gegen den Moderator Jörg Kachelmann, der in Deutschland ebenfalls auf ein großes Medienecho stieß. Da Kachelmann Staatsbürger der Schweiz ist, wurde vorab eine gewisse Anzahl an Plätzen für schweizerische Journalisten reserviert. Beim NSU-Prozess hätte eine ähnliche Regelung getroffen werden können, darüber herrscht unter den Experten, die sich in der Debatte bisher äußerten, Einigkeit. Das Münchner Gericht entschied sich jedoch anders.
Weitergabe von Plätzen nicht erlaubt
Uneinig sind sich die Juristen darüber, welche Optionen nun, wo die Zuteilung der Plätze bereits abgeschlossen ist, noch im Raum stehen. Wolfgang Hoffmann-Riem sieht die Möglichkeit, dass freiwerdende Plätze nicht durch die "normalen" Nachrücker auf der Liste besetzt werden, sondern an türkische Medienvertreter vergeben werden. Die Bild-Zeitung und auch die öffentlich-rechtlichen Sender hatten ihre Bereitschaft signalisiert, für sie reservierte Plätze an türkische Kollegen abzugeben. Das Gericht stellte jedoch klar, dass ein abgetretener Platz dem Vergabeverfahren entsprechend an den nächsten Antragsteller auf der Warteliste ginge. Türkische Medienvertreter folgen jedoch erst auf hinteren Plätzen der Liste.
Auch eine Übertragung des Prozesses in einen weiteren Gerichtssaal, in dem zusätzliche Medienvertreter den Prozess verfolgen könnten, wäre nach Ansicht von Hoffmann-Riem ein gangbarer Weg. "Rechtlich sehe ich da keine Bedenken", so der ehemalige Verfassungsrichter. "Im Gerichtsverfassungsgesetz steht, dass Fernsehaufnahmen unzulässig sind. Aber es gibt einen Zusatz, nämlich nur solche Fernsehaufnahmen, die zum Zwecke öffentlicher Übertragung erfolgen." Hier gehe es aber nicht darum, die Bilder öffentlich auszustrahlen, sondern einer begrenzten Anzahl von Personen zugänglich zu machen, die an der Verhandlung teilnehmen möchten und nicht in den Saal hinein können.
Bedenken gegen Videoübertragung
Bedenken gegen einen solchen Schritt äußert der Kölner Rechtswissenschaftler Christian von Coelln. "Meines Erachtens geht das nicht. Wenn ich es in einen Nebenraum übertrage, kann der vorsitzende Richter nicht mehr kontrollieren, was in dem Raum passiert. Wenn ich anfange, es in einen Nebenraum zu übertragen, kann ich es auch irgendwann in eine Stadthalle oder ein Fußballstadion übertragen."
Eine Übertragung in einen Nebenraum schloss auch das Oberlandesgericht München bislang aus. Die zuständigen Richter fürchten, dass eine Übertragung einen Revisionsgrund darstellen könnte und damit das Urteil anfechtbar werde. Diese Einschätzung teilt im Grundsatz auch Christian von Coelln.
Beobachter schätzen aber, dass sich die Münchner Richter dem öffentlichen Druck beugen werden und eine Lösung, die dem berechtigten Interesse ausländischer Pressevertreter gerecht wird, präsentieren. Durch eine sorgfältigere Abwägung der Vergaberichtlinien im Vorfeld wäre wohl viel Ärger und Unverständnis vermeidbar gewesen.