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Kritik an Friedrichs USA-Reise

Klaus Jansen13. Juli 2013

Geheimdienste der USA und Großbritanniens sammeln offenbar massiv Daten über Deutschland. Innenminister Friedrichs USA-Reise hat daran nichts geändert. Hat die Politik nicht erkannt, wie brisant die Angelegenheit ist?

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich vor Mikrofonen (Foto: REUTERS/Jonathan Ernst)
Bild: Reuters

"Desaster", "völliges Versagen", "Luftnummer": Die deutschen Oppositionsparteien werfen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich vor, dass er aus Washington keine Antworten zum Überwachungsskandal mitgebracht hat. Das hatte er im Vorfeld des Kurztrips versprochen. Friedrich hatte auf seiner Reise unter anderem mit Vizepräsident Joe Biden und Justizminister Eric Holder über die Bespitzelung durch den US-Geheimdienst NSA gesprochen. Grünen-Internet-Experte Konstantin von Notz nennt Friedrichs Treffen mit US-Politikern im DW-Interview eine Placebo-Maßnahme: "Man versucht vorzutäuschen, dass man irgendetwas tut."

Ein Ergebnis habe der Besuch in den USA nicht gebracht, im Gegenteil, sagt auch Internet-Expertin Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC). Nach dem Washington-Aufenthalt hatte Friedrich erklärt, es gehe nicht um massenhaftes Scannen von Daten, alles sei ganz gezielt. "Das ist natürlich eine Verdummung der Bevölkerung", so Kurz im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Enthüllungen der vergangenen Wochen hätten genau das Gegenteil ergeben.

Notz: Bundesregierung versteht nicht, worum es geht

Grünen-Politiker von Notz stellt sich die Frage, ob sich nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich mit der Sache befassen muss. Das wolle sie aber nicht: "Frau Merkel versucht, eine Linie zwischen sich und dieser Geschichte zu ziehen. Das wird ihr bis zum 22. September aber nicht gelingen." An diesem Tag ist Bundestagswahl, der Wahlkampf ist inzwischen eröffnet, und der Ausspäh-Skandal scheint dabei eines der Top-Themen zu sein. Jetzt seien die Oppositionsparteien gefordert, klare Vorschläge zu machen, meint Constanze Kurz.

Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz (Foto: dpa)
Der Grünen-Innenexperte Konstantin von NotzBild: picture-alliance/dpa

Von Notz ist überzeugt davon, dass die Bundesregierung noch nicht verstanden hat, worum es geht. Betont werde immer nur, dass deutsche Delegationen eventuell mit Wanzen abgehört wurden. Der Kern sei aber, dass 80 Millionen Menschen in Deutschland in ihrer Kommunikation total überwacht würden.

"Deutschland lässt sich einlullen mit Sicherheitsquatsch"

CCC-Expertin Constanze Kurz hat Friedrichs Beschwichtigungen im Fernsehen mit Fassungslosigkeit verfolgt. Sie warnt eindringlich davor, dass der Datenskandal das Machtgefüge zwischen den Regierungen verschiebt. "Was aus Daten und Wissen gewonnen wird, ist Macht." Die Bundesregierung würde demnach mit jeder abgefangenen E-Mail, mit jedem mitgelesenen Datenpaket Macht verlieren. Deshalb versteht Kurz nicht, warum die Regierung weiterhin so tut, als wären die USA und Großbritannien weiterhin Deutschlands Partner und Freunde. "Aus den Veröffentlichungen geht klar hervor, dass wir Ziel der Attacken sind."

Privater Ordner auf dem Computer (Foto: dpa)
Was ist noch privat? Glaubt man Edward Snowdens Enthüllungen, bleibt nicht mehr viel übrigBild: picture-alliance/dpa

Deutschland lässt sich Constanze Kurz zufolge einlullen mit "Sicherheitsquatsch", angeblich vereitelten Anschlägen durch die Spähprogramm-Informationen. Für diese vereitelten Anschläge gebe es aber keine Beweise. Die Geheimdienste bewegten sich offenbar in einem rechtsfreien Raum und könnten machen, was sie wollen.

Klare Worte von Merkel gefordert

Kritiker und Oppositions-Parteien in Deutschland fordern deshalb eine härtere Gangart bei den Gesprächen mit den USA, aber auch mit Großbritannien, dessen Überwachungsprogramm sogar noch weiter zu gehen scheint als das Prism-Programm des US-Geheimdienstes NSA.

Konstantin von Notz, der Innenexperte der Grünen, will klare Worte von Angela Merkel hören, die auch mit Taten untermauert sind. "Man kann die Weiterleitung von Fluggastdaten an die USA stoppen oder auch das Swift-Abkommen zur Kontrolle von Geldbewegungen aufkündigen." So seien ernsthafte Gespräche möglich, wenn man nur wolle.

Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (Foto: dpa)
Constanze Kurz vom Chaos Computer Club ist von Friedrichs Aussagen bestürztBild: picture alliance/dpa

"Das Abgreifen wird nicht greifbar"

Rätselhaft bleibt, warum es in Deutschland zwar viel Kritik an den aufgedeckten Spähprogrammen gibt, aber seit Wochen keine größeren Aktionen oder Proteste erfolgt sind. Constanze Kurz hat zumindest eine Theorie: "Normalerweise merkt niemand, dass gerade seine persönlichen Daten ausgelesen werden, das Abgreifen wird nicht greifbar." Deshalb gebe es in der Bevölkerung eine gewisse Lethargie.

Die Regierung wird die Deutschen aus dieser Starre nicht wecken, ist die Expertin des Chaos Computer Clubs überzeugt. "Innenminister Friedrich wird dazu nicht beitragen. Wir werden alles weitere nur über die Zeitungen erfahren." Und neue Enthüllungen werde es mit Sicherheit geben.