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Norwegens Elektroauto-Boom

Klaus Ulrich
22. Januar 2021

Das Musterland für Elektroautos ist Norwegen. 2020 waren dort erstmals weit mehr als die Hälfte aller Neuzulassungen Batterie-elektrisch betriebene Fahrzeuge - ein Weltrekord. Was steckt dahinter?

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Norwegen - Tesla
Ein Tesla Model X steht auf einem Parkplatz in TrondheimBild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Die Besitzer von Elektroautos unter den gut fünf Millionen Einwohnern genießen in Norwegen viele Vorteile. Bei der Anschaffung werden ihnen bereits seit den 1990er Jahren Einfuhrzölle erlassen, die in einem Land, das kein Mitglied der EU ist, ziemlich happig sind. Auch Steuern fallen weg, darunter eine Zulassungsgebühr, die umgerechnet bis zu 10.000 Euro betragen kann, außerdem die Mehrwertsteuer in Höhe von 25 Prozent. Ein elektrisch betriebenes Fahrzeug kostet deshalb in Norwegen nicht mehr als ein Pkw mit Verbrennungsmotor.

Hinzu kommen deutliche Ersparnisse bei den Betriebskosten. Die im Land der Fjorde weit verbreitete Straßenmaut fällt für E-Auto-Besitzer geringer aus, sie können in manchen Städten die Busspuren befahren und zahlen auf öffentlichen Parkplätzen keine Gebühren - die allerdings sind auch dort ein knappes Gut.

Infografik PKW-Neuzulassungen mit teil-elektrischem Antrieb in Deutschland

Gute Infrastruktur

"In Norwegen haben wir schon traditionell eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur für die E-Mobilität", sagt Andreas Radics, Autoexperte der Unternehmensberatung Berylls aus München im Gespräch mit der DW.

So hätten die Norweger bedingt durch die strengen Winter - wie andere Skandinavier auch - ihre Fahrzeuge schon seit vielen Jahren über einen elektrischen Anschluss vorgeheizt. Verbrennungsmotoren seien auf dem heimischen Standplatz vorgewärmt worden mit einer Art Tauchsieder im Kühlkreislauf, beschreibt Radics die Situation, "so dass sie morgens in ein Auto einsteigen konnten, dessen Heizung sofort angesprochen hat, dessen Scheiben sofort getrocknet wurden". Diese Infrastruktur sei deshalb fast in jedem Haushalt mit eigenem Stellplatz vorhanden und werde mittlerweile dafür genutzt, um die elektrischen Autos zu laden.

Ladestationen auf überregionalen Verbindungen

Nach Angaben der Norwegian Electric Vehicle Association, einer Lobbyorganisation für Elektromobilität, sind an allen wichtigen überregionalen Verbindungsstraßen des Landes alle 50 Kilometer mindestens zwei Ladestationen für E-Autos errichtet worden.

"In Norwegen hat man sehr viel Steuergeld in die Hand genommen, um Ladesäulen kontinuierlich übers Land zu verteilen", sagt Michael Müller-Görnert vom ökologischen Verkehrsclub VCD mit Sitz in Berlin gegenüber der DW. "Das gibt den Fahrern auch auf längeren Reisen die Sicherheit, dass sie ihren Akku laden können, während ja die Reichweiten-Angst in Zusammenhang mit dem Elektroauto bei uns Deutschen noch weit verbreitet ist."

Norwegen, - Öffentliche Kfz-Ladestationen in Oslo sind kostenlos
Öffentliche Kfz-Ladestationen in OsloBild: DW/L. Bevanger

Die Experten von Berylls treten allerdings der Meinung entgegen, dass der Erfolg der E-Mobilität allein an der Anzahl der öffentlichen Ladesäulen hängt. In Deutschland müssten sich zurzeit rein rechnerisch etwa neun E-Autos eine Ladestation teilen, in Norwegen dagegen 23. "Das Netz öffentlicher Ladepunkte ist offensichtlich nicht nur dünner als in Deutschland, sondern auch noch viel stärker ausgelastet. Und obwohl es mittlerweile zu Wartezeiten an den Ladesäulen kommt, hält der E-Autoboom in Norwegen weiter an", sagt Andreas Radics.

Kostenfrage entscheidet

"Letztendlich müssen wie in Norwegen die Kosten für Elektroautos sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb in der Summe niedriger sein als die für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren", sagt Michael Müller-Görnert vom VDC. Kaufprämien aus öffentlichen Mitteln für umweltfreundliche Fahrzeuge seien nur ein erster Schritt.

Für Autos mit Verbrennungsmotoren, sollte ab einem bestimmten Emissions-Wert die Kfz-Steuer pro ausgestoßenem Gramm CO2 soweit erhöht werden, dass die Transmission zur Elektromobilität auf Dauer aufkommensneutral finanzierbar wäre. "Dann würden nicht die Steuerzahler zur Kasse gebeten, sondern die Verursacher der CO2-Emissionen", so Müller-Görnert.

Verbrenner-Verbot ab 2025

Norwegen hat sich zum Ziel gesetzt, ab 2025 keine Verbrenner mehr zuzulassen.  "Unsere vorläufige Prognose ist, dass Elektroautos im Jahr 2021 einen Marktanteil von 65 Prozent erreichen werden", sagte Christina Bu von der Norwegian Electric Vehicle Association gegenüber Reuters. "Wenn wir das schaffen, wird das Ziel, im Jahr 2025 nur noch emissionsfreie Autos zu verkaufen, in Reichweite sein."

Strom wird in Norwegen fast ausschließlich aus Wasserkraft gewonnen. Die dort fahrenden E-Autos sind theoretisch zumindest im Betrieb CO2-neutral. Ein weiterer Pluspunkt in den Augen vieler Autokäufer.

Norwegen Goliat Ölfeld in der Barentssee
Norwegen: Goliat Ölfeld in der BarentsseeBild: picture-alliance/NTB scanpix/J.-M. Bjornbakk

Doch viele Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität sind nur deshalb möglich, weil sie aus einem gewaltigen Staatsfonds finanziert werden, der sich durch Einnahmen aus Öl- und Gasexporten speist. Norwegische Umweltschützer kritisieren, das Land verdiene sein Vermögen "mit dem Export des Klimawandels".

"Export des Klimawandels"

"Das könnte man Norwegen durchaus ankreiden", räumt Autoexperte Andreas Radics ein. Andererseits werde über den Export fossiler Rohstoffe eingenommene Geldmengen eine Elektromobilität gefördert, die die Hersteller dazu veranlasse, zusätzliche Investitionen in entsprechende Technologien zu tätigen und die Kunden anrege, sich über Elektroautos zumindest Gedanken zu machen.

"Man exportiert CO2, man sorgt aber auch für eine Beschleunigung der Transformation des individuellen Verkehrs", so Radics. Gezeigt werde, dass man in einem Land mit durchaus großer Ausdehnung auch praktisch elektro-mobil unterwegs sein könne. "So eine Muster-Nation ist wichtig in Europa, damit andere Märkte angeregt werden, ebenfalls CO2-neutrale Mobilität anzubieten."

Der Artikel wurde am 28.1.2021 aktualisiert. In einer früheren Version hieß es, Mautstraßen könnten von E-Autos kostenfrei genutzt werden.