Noriaki Kasai: Ein Mann bleibt in der Luft
8. Februar 2018Wer die Fahne für sein Land tragen darf bei den Olympischen Spielen, ist ohnehin schon ein wenig ein Held. Der Japaner Noriaki Kasai ist, wenn man so will, ein Superheld. Für die Fans in seiner Heimat ohnehin, aber auch nach olympischen Kriterien. Mit seiner achten Teilnahme an den Winterspielen hält der Skispringer inzwischen den Rekord. "Ich bin wahrscheinlich schon einmal um die Welt geflogen", sagt Kasai auf die Frage, ob er schon einmal darüber nachgedacht hätte, wie lange er bei all seinen Sprüngen in seiner Karriere in der Luft war. Durch die Luft fliegen - was man als Superheld eben so macht.
1992, 1994, 1998, 2002, 2006, 2010, 2014, 2018
Der Mann ist 45 und er ist - was man kaum glauben kann bei so viel Routine - nervös. Eigentlich hat Japans "Flugsaurier" schon alles erlebt in seinen Jahren als Skispringer: Mit 16 trat er im Parallelstil gegen Jens Weißflog an, mit 42 gewann er in Kuusamo, er kommt auf 13 WM- und 537 Weltcup-Teilnahmen. Doch am Freitag ist das alles egal. "Ich bin unglaublich aufgeregt. Das wird ein Höhepunkt meiner Karriere", sagt Kasai und meint damit seine Aufgabe als Fahnenträger in Pyeongchang.
Seinen Rekord als Olympia-Teilnehmer hat er sich bisher mit dem Rodler Albert Demtschenko geteilt, nun gehört ihm die Bestmarke alleine. 1992, 1994, 1998, 2002, 2006, 2010, 2014, 2018 - die Schauplätze wechselten, Kasai blieb. Und flog.
"Ein würdiger Botschafter"
Und er hat vor, weiterzumachen. "Ich will noch fünf Jahre, oder sogar noch zehn Jahre bei euch bleiben", sagte er im Januar auf Deutsch, als ihm beim Weltcup am Kulm ein ganzer Abend gewidmet wurde. Die Veranstaltung glich einer Huldigung. Die Trainer aller Top-Nationen sangen auf der Bühne für Kasai "We are the world". Kasai war gerührt, verneigte sich höflich - und flog einen Tag später auf Rang fünf. "Noriaki ist ein Phänomen. Er ist ein würdiger Botschafter unserer Sportart", findet der deutsche Bundestrainer Werner Schuster.
"Mein Ziel ist es, in Pyeongchang vor den Augen meiner Familie eine Medaille zu gewinnen", gibt der Japaner die Richtung vor. Dreimal stand Kasai bei Olympia auf dem Podium. 1994 in Lillehammer holte er Silber mit der Mannschaft, 20 Jahre später in Sotschi Team-Bronze und Einzel-Silber von der Großschanze. Seine vielleicht schwärzeste Stunde erlebte er ausgerechnet 1998 vor heimischem Publikum in Nagano. Als Japan Gold holte, musste er Takanobu Okabe den Vortritt lassen. Die damalige Mannschaft hat längst komplett die Karriere beendet, Kasai fliegt noch immer.
Und vielleicht bekommt er sogar noch die Chance zu einer Wiedergutmachung für den verpatzten Auftritt vor heimischem Publikum. "Meine Heimatstadt Sapporo bewirbt sich um Olympia 2026", sagt Kasai: "Dann bin ich 54. Die Chance ist einfach zu groß, um aufzugeben." Es wären seine zehnten Spiele.
ml/sw (SID, dpa)