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"Noch nicht am Ende der Fahnenstange"

Olivia Fritz17. Juli 2013

Ist die ganz große Dominanz der deutschen Frauen-Elf bei internationalen Fußball-Turnieren vorbei? Die Mannschaft wird sich finden, es ist eine Frage der Zeit, sagt Ex-Nationaltorhüterin Silke Rottenberg im DW-Interview.

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Silke Rottenberg im Portrait (Foto: Martin Rose/Getty Images)
Bild: Getty Images

Die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft ist mit einem Unentschieden und einem Sieg in die Europameisterschaft in Schweden gestartet - gegen Holland gab es ein 0:0, gegen Island ein 3:0, für das Viertelfinale qualifizierten sich die DFB-Damen vorzeitig. Unter dem Strich ein gelungener EM-Start, nachdem der Trend in den vergangenen zwei Jahren doch eher nach unten zeigte. Das Viertelfinal-Aus bei der Heim-WM 2011 und die dadurch verpasste Olympia-Qualifikation für London 2012 war ein Einschnitt in der vorher so erfolgreichen Bilanz. Vor dieser EM hat ein Umbruch stattgefunden, der durch zahlreiche Verletzungen noch verstärkt wurde. Die Mannschaft ist viel jünger geworden, für einen Großteil der Spielerinnen ist die EM das erste große Turnier. Keine einfache Situation, erklärt Weltmeisterin Silke Rottenberg.

DW: Die Weltmeisterschaft vor zwei Jahren in Deutschland war eine große Chance für den Frauenfußball, leider ist die deutsche Elf recht früh ausgeschieden. Nun tritt sie als Titelverteidiger bei der EM in Schweden an und überzeugt noch nicht so ganz. Klingt die WM noch nach?

Silke Rottenberg: Natürlich waren wir alle enttäuscht, weil wir so früh ausgeschieden sind. Aber im Grunde genommen hat dieses Turnier dem Frauenfußball weltweit unheimlich viel Akzeptanz gebracht. Wenn wir jetzt zur Europameisterschaft hier in Schweden blicken, ist es natürlich so, dass wir im Vorfeld wussten, dass es nicht einfach wird. Unter anderem, weil doch recht viele Ausfälle zu kompensieren sind, nämlich von Spielerinnen, die schon unheimlich viele Länderspiele auf dem Buckel haben. Da kann man nicht davon ausgehen, dass das einfach mal so wie am Schnürchen läuft. Sondern es ist unheimlich viel Arbeit, die dahinter steckt. Das geht nicht einfach so im Handumdrehen.

Die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft feiert den EM-Titel 2009 in Finland (Foto: EPA/MARKKU OJALA FINLAND OUT / dpa)
Bei der EM 2009 in Finnland gab es den letzten TitelBild: picture-alliance/dpa

Nun gibt es neben den vielen jungen Gesichtern auch einige Routiniers im Team. Zum Beispiel Spielführerin Nadine Angerer. Wie Sie damals ist sie auch Torhüterin. Wie wichtig ist sie für das Team?

Mich freut es für Nadine, dass sie an ihre alte Leistungsstärke anknüpfen kann. Es ist einfach auch unheimlich wichtig für diese junge und unerfahrene Mannschaft, dass da hinten eine Torhüterin steht, die weiß, warum sie die Handschuhe anhat. Das hat sie auch in der einen oder anderen Situation zeigen können. Von daher sind das schon Spielerinnen, die der Mannschaft positive Impulse geben. Und deshalb ist mir nicht bange vor den nächsten Spielen, die kommen werden.

Halbfinale ist das Minimalziel

Man merkt, dass sich der Frauenfußball entwickelt hat - vor allem bei den anderen Mannschaften. Früher war Deutschland sehr exponiert und vor allem in Europa ein Dauerabonnent auf den Titel. Ist das der deutschen Elf zum Verhängnis geworden, weil man in Deutschland quasi automatisch davon ausgeht, wieder den Titel zu holen?

Nein, weil die deutsche Mannschaft mit dieser Vorstellung mit Sicherheit nicht nach Schweden gefahren ist. Dass wir nicht nach Schweden fahren und sagen: 'Dabei sein ist alles' ist auch klar. Das ist sicherlich nicht die Philosophie des deutschen Fußballs. Aber jedes Spiel muss erst mal gespielt werden, man muss in den Spielrhythmus kommen, man muss in den Turniermodus finden und im Endeffekt ist es so, dass wir uns mit Sicherheit vorgenommen haben, das Halbfinale zu erreichen.

Nach dem ersten Gruppenspiel hat es Kritik von allen Seiten gehagelt, dazu gab es Diskussionen über klischeehafte Werbung für die Frauen-EM. Inwieweit beeindruckt das die Spielerinnen?

Was die Medien schreiben und die Öffentlichkeit sagt ist immer etwas anderes als das, was die Mannschaft denkt. Ich bin selber Nationalspielerin gewesen, arbeite beim DFB und hier ist es einfach so: Man denkt von Spiel zu Spiel. Man analysiert von Spiel zu Spiel und dann muss man gucken, wo man am Ende landet.

"Früher hat sich keiner interessiert"

Silke Rottenberg bei der EM 2005 in England im Tor(Foto: Bryn Lennon/Getty Images)
Silke Rottenberg zu ihrer aktiven Zeit als Nationaltorhüterin bei der Europameisterschaft 2005 in EnglandBild: Getty Images

Dennoch ist die Aufmerksamkeit für den Frauenfußball mittlerweile höher, Lob und Kritik schärfer – bekommen die Spielerinnen das mit und wird darüber auch intern gesprochen?

Natürlich kriegt man das mit. Man liest ja Zeitung oder informiert sich online, man unterhält sich mit Freunden, mit der Familie. Aber im Grunde genommen weiß man auch, wie Presse, wie Medien funktionieren. Man wird gehypt und am nächsten Tag mehr oder weniger wieder plattgebügelt. Damit muss man sich einfach auseinandersetzen. Man darf es nicht zu nah an sich rankommen lassen, ausblenden. Das wird immer so sein. Das wird nicht mehr weniger werden. Früher hat sich niemand für dich interessiert, heute sind sie alle interessiert. Wichtig ist, dass die Mannschaft weiß, was sie kann, dass sie zusammenhält. Und das tut sie. Sie haben eine gute Stimmung.

Sie sind lange selbst Teil der Nationalmannschaft gewesen, waren Nationalspielerin, danach Torwarttrainerin und sind bis heute beim DFB ganz nah dabei. Heute logieren die deutschen Frauen in Viersterne-Hotels. Das war sicher früher anders. Was hat sich denn genau in den letzten 20 Jahren verändert?

Mein erstes Länderspiel war 1993, da waren die Voraussetzungen natürlich ein bisschen anders. Auch damals hatten wir Physiotherapeuten, auch damals war ein Arzt dabei. Wir waren auch damals in Hotels untergebracht, aber die Rahmenbedingungen haben sich natürlich verändert. Das Team ist größer geworden, es ist populärer geworden. Wenn man hier mal schaut, wie viele Journalisten da sind. Es hat sich unheimlich entwickelt und wir sind auch noch nicht am Ende unserer Fahnenstange angekommen. Das ist doch toll und das zeigt doch auch, wie akzeptiert der Frauenfußball mittlerweile ist.

Silke Rottenberg gewann als Torhüterin in der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft 2003 und 2007 den WM-Titel, wurde dreimal Europameisterin und sammelte zwei Bronzemedaillen bei Olympischen Spielen. 1998 wurde sie zur Fußballerin des Jahres ausgezeichnet, 2003 zur Welttorhüterin. Bis heute ist sie im Nachwuchsbereich des DFB als Torwarttrainerin aktiv.

Die Fragen stellte DW-Sportreporterin Olivia Fritz