Nigerias Präsident schwänzt TV-Debatte
20. Januar 2019Der Biergarten "042" ist gut gefüllt. Jeden Samstagabend versammeln sich hier im Stadtteil Gwarinpa der Hauptstadt Abuja Fußballfans und schauen die englische Premier League. Doch heute laufen auf den Bildschirmen keine Fußballer, sondern Politiker. Die erste große TV-Präsidentschaftsdebatte in der Geschichte Nigerias.
Ebere Odocha-Ezeocha sitzt gespannt an einem der Plastiktische und schaut auf die Leinwand. Sie arbeitet in einem Kindergarten um die Ecke und ist sich noch nicht sicher, wen sie wählen wird. Sie ist besonders gespannt, wie sich Präsident Muhammadu Buhari verkaufen wird. Und der wichtigste Oppositionskandidat, Atiku Abubakar. "Ich will einfach nur jemanden, der gut regieren kann", sagt Odocha-Ezeocha. Vieles funktioniere nicht in Nigeria: das Bildungssystem, die Gesundheitsversorgung, in vielen Teilen des Landes sei die Sicherheitslage angespannt. Hinter der Leinwand rattert ein lauter Generator, weil es mal wieder keinen Strom gibt.
Wahlkampftermine statt TV-Debatte
Ein paar Kilometer weiter, im teuersten Hotel der Stadt, beginnt die Debatte. Staatschef Buhari ist einfach nicht aufgetaucht, obwohl er den Veranstaltern bereits vor Monaten zugesagt hatte. Ein Sprecher sagt später, Buhari hatte am selben Tag wichtige Wahlkampftermine in den Bundesstaaten Plateau und Niger. Außerdem habe der Präsident ja schon am Mittwoch Rede und Antwort bei einem Bürgerforum gestanden, das im nationalen Fernsehen übertragen wurde.
Odocha-Ezeocha ist enttäuscht. Ihr Sitznachbar glaubt, dass genau der Auftritt am Mittwoch der Grund für die Absage sei. Buhari ist 75 Jahre alt, hatte in den letzten Jahren immer wieder gesundheitliche Probleme und wurde monatelang im Ausland behandelt. Buhari wirkte beim Bürgerforum verunsichert, unpräzise. Einige Fragen kann er nicht beantworten, einige Antworten sind kaum verständlich. In den sozialen Medien hagelte es danach Kritik.
Atiku Abubakar will auch nicht hoch
Bei der Präsidentschaftsdebatte ohne Präsident werden nun die Kandidaten vorgestellt. Gerade als der Moderator Atiku Abubakar vorstellen will, bekommt er die Information, dass der 72-Jährige ebenfalls nicht auf die Bühne kommen wird. Obwohl er hinter der Bühne steht und bereits verkabelt ist.
Bei Twitter erklärt Atiku später: "Wir sind für eine Präsidentschaftsdebatte gekommen, nicht für eine Kandidaten-Debatte. Ich kann keine Regierung herausfordern, wenn der Staatschef nicht da ist um seine Politik zu verteidigen."
"Das ist unhöflich gegenüber seinen Anhängern", sagt Ebere Odocha-Ezeochas Sitznachbar im Biergarten. Bashir Abdussalam kommt aus dem Norden Nigerias und will eigentlich Atiku wählen. Er ist Beamter und fährt nebenbei Taxi, um über die Runden zu kommen. "Aber Atiku respektiert die Nigerianer nicht, die auf diese Debatte gewartet haben. Das wird ihn sicher einige Stimmen kosten."
"Weil sie unsere Fragen nicht beantworten können"
Auf der Bühne bleiben nun zwei Podeste leer. Das von Atiku Abubakars Peoples Democratic Party (PDP), die Nigeria nach Unabhängigkeit und Militärherrschaft für 16 Jahre regierte. Und das des All Progressive Congress (APC), der regierenden Partei von Buhari, die bei den siegreichen Wahlen 2015 den großen Wandel für das Land ankündigte. "Wir hatten 20 Jahre ein Herrschaftssystem", sagt Fela Durotoye während der Debatte, der Kandidat der Alliance for New Nigeria. "Und Herrscher erklären den Leuten nicht gern, was sie machen." Kingsley Moghalu, der ehemalige Vize-Gouverneur der Zentralbank und Kandidat der Young Progressives Party schiebt hinterher: "Sie sind nicht hier, weil sie unsere Fragen nicht beantworten können." Tosender Applaus.
Doch viel emotionaler wird die Debatte nicht mehr. Sachlich sprechen die verbleibenden drei Kandidaten über ihre Prioritäten: Wirtschaft, Infrastruktur, Sicherheit. Ein lebhafter Streit um Ideen entwickelt sich nicht. "Der spricht ja überhaupt nicht über Bildung", sagt Odocha-Ezeocha während Fela Durotoye seine Prioritäten aufzählt. "Der Nächste!", ruft sie und lacht. Oby Ezekwesili vom Allied Congress Party of Nigeria spricht da schon eher nach ihrem Geschmack. Die ehemalige Bildungsministerin und Mitbegründerin der #bringbackourgirls-Bewegung hat nach Umfragen nach den Platzhirschen der beiden großen Parteien die besten Erfolgschancen bei den Wahlen.
Am Ende der Debatte sind Ebere Odocha-Ezeocha und Bashir Abdussalam trotzdem nicht enttäuscht. Die vorher fast unbekannten Kandidaten hätten einen guten Eindruck hinterlassen. "Den Namen Fela Durotoye habe ich vorher nie gehört", sagt der 34-jährige Abdussalam. "Aber was er sagt, macht wirklich Sinn." Wählen wird er ihn wohl trotzdem nicht. Es gebe eben nur zwei Favoriten, die mit dem meisten Geld. Eine Stimme für einen Außenseiter, da sind sich beide einig, wäre verschwendet. "Das wären nur zwei Tropfen im Ozean", sagt Odocha-Ezeocha und lacht etwas frustriert. Darum werde wohl wieder eine der zwei großen Parteien gewinnen, die die Nigerianer bisher enttäuscht haben. "Wir müssen uns nur für das geringere Übel entscheiden."