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Politik

Ein bizarrer Albtraum nigerianischer Studenten in Kroatien

5. Dezember 2019

Es hätte alles schön und entspannt sein können: Nigerianische Studenten fahren nach Kroatien, um an einem Sportturnier teilzunehmen. Sonne, Meer, junge Menschen - aber es kam anders als geplant.

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Eboh Kenneth Chinedu und Abia Uchenna Alexandro
Nigerianische Studenten Chinedu und Alexandro: "Einer der Polizisten zog die Pistole"Bild: Adi Kebo/zurnal.info

Kurz bevor die nigerianischen Studenten Eboh Kenneth Chinedu und Abia Uchenna Alexandro über die grüne Grenze aus Kroatien nach Bosnien/Herzegowina abgeschoben wurden, mussten sie irgendwelche Dokumente unterschreiben - in kroatischer Sprache. "Der Wagen hielt an. Man führte uns nach draußen und ein Polizist sagte mir: Unterschreib! Ich sagte, das will ich nicht, man kann nicht von mir erwarten, dass ich etwas unterschreibe, was ich gar nicht verstehe. Dann zog einer der Polizisten die Pistole und sagte, er wird mich erschießen, wenn ich nicht unterschreibe. Ich hatte Angst, und habe unterschrieben."

So beschreibt Eboh Kenneth einer Journalistin des bosnischen Portals "Žurnal" wie er und sein Kommilitone unter Gewaltandrohung nach Bosnien abgeschoben wurden. Nachdem beide die Dokumente unterschrieben hatten, nahmen ihnen die Polizisten ihr Geld und zwangen sie auf einem Waldweg die Grenze zu überqueren. In der Gruppe waren auch mehrere Migranten. Wie die beiden Nigerianer wurden auch sie gezwungen, Kroatien zu verlassen. Sie landeten im Flüchtlingscamp "Miral" in Velika Kladuša.

Kein Urlaub in Kroatien

Dabei hätte der Kroatienbesuch für beide Studenten der "Federal University of Technology Owerri" so schön sein können. Zusammen mit zwei anderen Studenten und einer Professorin kamen sie als Teil der nigerianischen Tischtennismannschaft, um in der kroatischen Küstenstadt Pula vom 13. bis 17. November an der fünften Weltmeisterschaft internationaler Universitäten (IUSC) teilzunehmen - eine kleine Studenten-Olympiade. Nach fünf Tagen, so war der Plan, sollte es in die kroatische Hauptstadt Zagreb gehen, von wo der Rückflug nach Nigeria über Istanbul starten sollte.

Schreckliche Lebensbedingungen in Flüchtlings- und Migrantenlagern in Bosnien und Herzegowina
Schreckliche Lebensbedingungen im Flüchtlings- und Migrantenlager "Miral"Bild: Help Now

Für Eboh Kenneth und Abia Uchenna nahm die Geschichte aber eine andere Wendung. Nachdem sie in einem Zagreber Hostel ihre Sachen abgestellt hatten, wollten sie ein wenig die Stadt besichtigen, erzählen sie. Ihre Pässe ließen sie im Hostel. An einer Straßenbahnhaltestelle nahmen sie Polizisten mit und brachten sie auf eine Polizeistation. Alle Erklärungen wer sie sind und was sie in Kroatien machen halfen nicht. Man steckte sie in einen Transportwagen und fuhr sie zusammen mit mehreren Migranten zur kroatisch-bosnischen Grenze. Dort wurden sie unter Gewaltandrohung gezwungen, Kroatien zu verlassen.

Die kroatische Polizei dementiert alles

Wie schon oft bei ähnlichen Vorfällen in der Vergangenheit, bestreitet die kroatische Polizei den Hergang. "Es gab keine Intervention der Polizei gegenüber diesen Personen", heißt es in der Erklärung des kroatischen Innenministeriums (MUP). "Behauptungen, dass die kroatische Polizei besonders gegen einzelne Personen wegen ihrer Hautfarbe vorgeht und sie verurteilt, sind vollkommen unzulässig und wir weisen sie entschieden zurück."

Wie die beiden Studenten dann ohne ihre Reisedokumente, ohne Geld und ohne Grund in einem von Zagreb mehr als 100 Kilometer entfernten Flüchtlingscamp in Bosnien gelandet sind, dazu könne man nichts sagen. "Es ist nicht dokumentiert, dass die beiden Personen Kroatien auf dem legalen Weg verlassen haben", heißt es dazu.

Žurnal-Schlagzeile: "Kroatische Polizei entführte nigerianische Studenten"
Žurnal-Schlagzeile: "Kroatische Polizei entführte nigerianische Studenten"Bild: zurnal.info

Für Tajana Tadić von der kroatischen Menschenrechtsorganisation "Are You Syrious", die sich um Hilfe für Geflüchtete kümmert, ist weder die Geschichte der Studenten aus Nigeria, noch die Erklärung der kroatischen Polizei überraschend. "Da diese Menschen keine Flüchtlinge sind, hatten wir bisher auch keinen direkten Kontakt mit ihnen. Aber ihre Beschreibung des Pushbacks (erzwungene Abschiebung der Flüchtlinge aus Kroatien nach Bosnien, Anm. Red.) ist sehr konsistent und deckt sich mit Hunderten ähnlicher Zeugenaussagen, die auch öffentlich bekannt sind. Das hier ist kein Einzelfall, sondern ein besonders bizarres Beispiel für eine weit verbreitete und systematische Praxis", sagt Tadić.

Auch wenn bisher nicht alle Angaben geprüft werden konnten, "uns scheint es glaubhafter, dass es bei einer Routinekontrolle der kroatischen Polizei aufgrund der üblichen Praxis des Racial Profiling zu einem 'Fehler' gekommen ist, als dass die Studenten, die legal nach Kroatien eingereist sind, sich selbst auf unerklärliche Art und Weise auf bosnisches Territorium begeben haben", so Tadić.

Kroatischer Pushback

Schon in der Vergangenheit gab es mehrere dokumentierte Fälle gesetzeswidriger Abschiebungen von Migranten aus Kroatien nach Bosnien/Herzegowina. Das belegen zahlreiche Aussagen von Betroffenen über Gewalt, Raub und Misshandlungen durch Polizeibeamte, Berichte von Ärzten über Verletzungen - auch gegenüber Kindern - die ihnen von Polizisten zugefügt worden seien, sowie Berichte verschiedener Menschenrechtsorganisationen. "Offiziell rechtfertigen kroatische Behörden diese Praxis mit dem erklärten politischen Ziel, so bald wie möglich in den Schengen-Raum aufgenommen zu werden", sagt Tadić. Dafür sei es dann nötig, dass man sich als vorbildlicher Wächter der EU-Außengrenze präsentiert.

Screenshot tagesschau.de - Kroatien-Bosnien-Migranten
Szene aus ARD-Dokumentation: Versteckt gefilmt an der grünen Grenze zwischen Kroatien und Bosnien/HerzegowinaBild: ARD

Im Fall der nigerianischen Studenten versucht das kroatische Innenministerium jetzt eine andere Interpretation des Geschehens glaubhaft zu machen. Es gab, so heißt es in einer Erklärung, schon früher Fälle, dass Sportveranstaltungen dafür missbraucht worden seien, in Kroatien, also in der EU, Asyl zu beantragen. Man prüfe, ob das auch jetzt der Fall war.

Außerdem hätten die Studenten gar keine Tischtennisschläger bei sich gehabt. Darüber hinaus hätten sie auf dem Turnier in Pula auffällig schlecht gespielt. Auch stimmten die Zeitangaben nicht: Beide sagen, sie seien am 17. November von der Polizei verschleppt worden, ihre Pässe hätten sie aber erst am Tag danach aus dem Zagreber Hostel abgeholt.

Aussage gegen Aussage

Die offizielle Haltung der kroatischen Behörden unterstellt, es handele sich hier gar nicht um Studenten, die an einer Sportveranstaltung teilnehmen wollten, sondern um Menschen, die von Anfang an beabsichtigten, in Kroatien zu bleiben. Die Nigerianer behaupten das Gegenteil. 

Am Beispiel eines dritten nigerianischen Studenten versuchen die kroatischen Behörden ihre Sichtweise zu belegen. Dieser hatte sich nach dem Turnier von der Gruppe abgesetzt und hat zweimal vergeblich versucht nach Slowenien einzureisen. Das wurde ihm verwehrt, da er kein Visum für den Schengenraum hatte. Daraufhin beantragte er in Kroatien Asyl und wartet jetzt auf sein Verfahren in einem Asylzentrum in Zagreb.

Eboh Kenneth Chinedu und Abia Uchenna Alexandro sitzen derweil im bosnischen Flüchtlingscamp "Miral" in Velika Kladuša fest. Inzwischen haben sie ihre Pässe wieder, ein Freund hatte sie ihnen aus Zagreb per Post geschickt. Bosnische Behörden kritisieren inzwischen ihre kroatischen Kollegen: "Diese Menschen sind Opfer gesetzeswidrigen Verhaltens der kroatischen Seite", sagt der bosnisch-herzegowinische Sicherheitsminister Dragan Mektić dazu. "Sie müssen schnellstens zurück nach Kroatien".

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