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Weniger Religion im Wahlergebnis

Philipp Sandner13. April 2015

Nigerianer sind enttäuscht von ihrer bisherigen Führung. Das zeigen die Ergebnisse von Nigerias Gouverneurswahlen. Das Land könnte sich von bisherigen ethnisch-religiösen Wahlentscheidungen lösen, schätzen Beobachter.

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Nigeria, Wählerin mit Wählerkarte
Bild: AFP/Getty Images/P. Utomi Ekpei

Das Ergebnis der Regionalwahlen vom Samstag ist eine weitere Absage an Nigerias scheidende Regierung: Nachdem die Nigerianer Ende März Präsident Goodluck Jonathan abwählten, musste dessen Demokratische Volkspartei (PDP) wieder herbe Niederlagen einstecken. Regierte diese zuvor quasi allein - ohne handlungsfähige Opposition -, hat sie nun rund zwei Drittel der 36 Bundesstaaten an die Opposition verloren. Von 29 neu zu besetzenden Gouverneursposten dürften laut Hochrechnungen rund 19 an Vertreter der APC gehen - des Oppositionsbündnisses also, mit dem Kandidat Muhammadu Buhari schon die Präsidentschafts- und Parlmentswahl für sich entscheiden konnte.

Die PDP habe sich ihren Abstieg vor allem selbst zuzuschreiben, sagt Tukur Abdulkadir, Politikwissenschaftler an der Universität von Abuja in Nigerias Hauptstadt. "Die Bundesgeschäfte der letzten fünf Jahren haben die Menschen ernüchtert", so Abdulkadir im DW-Gespräch. Die Regierung habe vor der Ölpreiskrise des letzten Jahres Unmengen an Geld gemacht. "Aber sie haben es nicht der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt, sondern Korruption auf den höchsten Ebenen unterstützt." Es habe zwar Urteile und Gefängnisstrafen wegen Korruption gegeben. Doch dann habe die Regierung einige der Verurteilten überraschend begnadigt, so dass diese erneut zur Wahl stehen konnten. Das habe die Illusionen vieler Wähler zerstört, meint Abdulkadir.

Wahlkampfauftritt der PDP in Nigeria 2015 (Foto: Pius Utomi Ekpei/AFP/Getty Images)
Abgestraft: Goodluck Jonathans PDPBild: AFP/Getty Images/P. Utomi Ekpei

Neue politische Kultur

Der Niedergang der PDP hatte sich bereits abgezeichnet: Seit rund anderthalb Jahren wechselten viele namhafte PDP-Politiker - darunter sechs Gouverneure - zur APC. Überraschend kam der Machtwechsel im Plateau State: In dem christlich dominierten Bundesstaat war die christlich geprägte PDP traditionell besonders stark. Der Sieg der APC ist ein Zeichen, dass alte Verhaltensmuster aufbrechen. "Das Wahlergebnis zeigt, dass die ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten keine Rolle mehr spielen", sagt Adamu Surku, ein politischer Analyst aus Plateau. "Ob Muslime oder Christen, Einheimische oder Fremde - allen war es daran gelegen, von ihrem Mitbestimmungsrecht Gebrauch zu machen." Die Bevölkerung habe so demonstriert, dass sie selbst und nicht die Regierung das letzte Wort hat.

Ein neues politisches Klima bescheinigen dem Land auch die Wahlbeobachter der Europäischen Union. "Nigeria hat bewiesen, dass die Stimmen der Bürger Gehör finden und dass die Regierung durch die Wahlurne zur Verantwortung gezogen werden können", sagt Santiago Fisas, der Leiter der Wahlbeobachter-Mission. Einige der unterlegenen Gouverneure haben - wie zuvor der abgewählte Präsident Goodluck Jonathan - ihre Niederlage bereits mit Handschlag eingestanden. Ein Erfolg, den man nicht hoch genug einschätzen könne, meint Landeskenner Heinrich Bergstresser, der ehemalige Leiter für die Friedrich-Naumann-Stiftung in Nigeria. "Das Beispiel von Buhari und Jonathan wird stilbildend sein, wenn es Ende Mai tatsächlich zum Machtwechsel kommt."

Nigerias gewählter Präsident Mohammadu Buhari (Foto: Pius Utomi Ekpei/AFP/Getty Images)
Auf der Gewinnerseite: die APC von Muhammadu BuhariBild: Pius Utomi Ekpei/AFP/Getty Images

Mehr Transparenz

Ein wichtiger Schlüssel zur neuen Transparenz sind die digitalen Wählerkarten, die bereits zur Präsidentschaftswahl am 28. März eingeführt worden war: Durch ein aufwändiges Identifizierungssystem per Fingerabdruck seien die Einflussmöglichkeiten der Regierung und der Gouverneure auf Bundesebene sehr viel geringer geworden, sagt Bergstresser. Das zeigt sich auch dadurch, dass es kaum mehr die großen Mehrheiten gibt wie in vorherigen Wahlen. Eine Ausnahme bildet indes das Nigerdelta. Hier hat die PDP etwa im Rivers State noch um die 90 Prozent der Stimmen bekommen.

Man dürfe nicht vergessen, dass das Nigerdelta - ein ehemaliges Bürgerkriegsgebiet - nur an der Oberfläche befriedet worden sei, sagt Bergstresser. "Die Gewaltkultur, die dort über mehrere Jahrzehnte entstanden ist, ist noch präsent." Entscheidend für den Wahlausgang im Delta sei also vor allem die Angst der Bürger. Und die führe dazu, dass sich Unterstützer der APC in Jonathans Hochburg schlicht nicht trauten, ihre Stimmen abzugeben.

Rebellen auf Pirogen imNigerdelta (Foto: picture alliance/dpa)
"Kultur der Gewalt": Rebellen im NigerdeltaBild: picture alliance/dpa

Nigeria als Vorbild?

Ob die PDP unter der neuen Führung in der Bedeutungslosigkeit versinken wird, ist für Bergstresser noch nicht ausgemacht. Auch das Zweckbündnis APC sieht er noch nicht als gesichert an. Wenn es beide aber schaffen würden, zu bestehen, könne das die politische Kultur nachhaltig verändern. Die faire Zusammenarbeit von zwei Parteien könne Strahlkraft weit über die Staatsgrenzen hinaus haben. In Westafrika stehen 2015 noch weitere Wahlen an - so in Guinea, der Elfenbeinküste und Burkina Faso, alles Länder, die eine Geschichte politischer Gewalt aufweisen. Togolesen sind bereits am 25. April an die Urnen gerufen.