Homophobie im Fußball
30. Juni 2011Toleranz hat der Weltfußballverband FIFA sich offiziell auf die Fahnen geschrieben. Die Trainerin der nigerianischen Nationalmannschaft "Super Falcons", Ngozi Uchi, sorgt derzeit aber für Negativschlagzeilen abseits vom Rasen der Frauenfußball-WM. In einem Interview mit der "New York Times" wetterte sie gegen Homosexualität und gab zu, lesbische Spielerinnen aus der Mannschaft geworfen zu haben. Ein Skandal, der so gar nicht ins Bild der FIFA passt, der aber die Realität homosexueller Fußballer in Afrika widerspiegelt. Die International Gay and Lesbian Foundation (IGLFA) setzt sich weltweit seit fast 20 Jahren für mehr Akzeptanz von Schwulen und Lesben im Fußball ein. Co-Präsident Klaus Heusslein hat mit seinem Verein über 34.000 Unterschriften gesammelt und FIFA-Präsident Sepp Blatter aufgefordert, gegen die Diskriminierung im nigerianischen Frauenfußball klar Position zu beziehen.
DW-WORLD.DE: Die Trainerin der nigerianischen Frauennationalmannschaft hat gegenüber der Presse über Homosexualität von "schmutzigen Praktiken" und "als geistig und moralisch verwerflich" gesprochen. Schockieren Sie diese Aussagen?
Klaus Heusslein: Ja. Es ist erschreckend, dass jemand, der sich auf so einem hohen internationalen Niveau befindet, sich auf so ein niedriges Niveau herablässt. Denn die Nigerianer wussten wohl, dass sie, wenn sie in Deutschland antreten, auch gegen das deutsche Team spielen würden. Und innerhalb des deutschen Teams sind ja Spielerinnen, die sich offiziell zu ihrer Homosexualität bekennen. Wenn ich jemandem vorwerfe, dass er "dreckige Praktiken" praktiziert, dann ist das ganz klar eine Beleidigung, die ich vielleicht auch bewusst als Provokation ins Feld führe.
Diese Aussagen sind aber kein Aussetzer und kein Einzelfall – es sind ja in der Vergangenheit bereits lesbische Spielerinnen aus dem Team geworfen worden. Wie ist die Lage für Lesben im Frauenfußball in Nigeria?
Es ist nicht nur so, dass Spielerinnen dort aus dem Team ausgeschlossen wurden, was schon schlimm genug ist. Dort sind auch ganz andere Maßnahmen ergriffen worden: irgendwelche korrektiven "Erziehungsmaßnahmen" mit diversen sehr fragwürdigen Praktiken, wie Voodoo-Zauber und Versuche von Hirnwäsche. Das ist jenseits von allem, was wir in Mitteleuropa unter den Menschenrechten verstehen. Eine große Rolle spielen die unterschiedlichen kulturellen und gesetzlichen Grundlagen. In Nigeria ist Homosexualität strafbar, deshalb ist es für die Nationaltrainerin Nigerias vollkommen unverständlich, dass darum hier in Westeuropa so ein Aufhebens gemacht wird.
In Ihrer Vereinigung sind auch Mitglieder aus afrikanischen Ländern. Mit welchen Problemen haben die in ihrer Heimat zu kämpfen?
Gerade bei den Gay Games in Köln im vergangenen Jahr haben wir ein Team gehabt, in dem Spielerinnen aus Südafrika waren. Die haben uns gebeten, auf die Einladungsschreiben, die sie zur Beantragung ihrer Visa brauchten, nicht offiziell als Absender "Gay Games Köln" zu schreiben, sondern etwas Neutraleres – um einen Spießroutenlauf in ihrem Heimatland zu vermeiden. Dabei ist Südafrika noch eines der liberaleren afrikanischen Länder. Wir hören von anderen Spielerinnen aus Ländern wie Nigeria oder Uganda, dass sie ihre Karriere beenden können, wenn sie sich zu ihrer Homosexualität bekennen.
Was erwarten Sie von der FIFA?
Sie hat zum Glück reagiert und das Verhalten der nigerianischen Nationaltrainerin kritisiert. Dass die FIFA aber stillschweigend mit ansieht, wie in weiten Teilen der Erde Menschenrechte mit Füßen getreten werden, ist eine altbekannte Geschichte. Man muss sich nur vor Augen führen, dass die nächsten Weltmeisterschaften der Männer nach Russland und Katar vergeben wurden. In diesen Ländern stehen Homosexuelle genauso schlecht da wie in Nigeria. Anders als in Katar ist Homosexualität in Russland zwar nicht strafbar, aber es ist allgemein bekannt, dass dort gegen Homosexuelle vorgegangen wird. Wenn FIFA-Präsident Sepp Blatter erklärt, homosexuelle Fans, die zu den Spielen anreisen wollen, bräuchten ja nur während des Aufenthalts auf sexuelle Handlungen zu verzichten, dann zeigt das, wie wenig Herr Blatter überhaupt verstanden hat.
Welche Maßnahmen könnte die FIFA denn ergreifen?
Die FIFA könnte ähnliche Maßnahmen ergreifen wie die UEFA (Anm. der Redaktion: Europäische Fußball-Union) in Europa. Da gibt es Statute, die von den Mitgliedsorganisationen unterschrieben werden müssen. Dazu gehört auch ein Grundsatz gegen Diskriminierung. Das wäre ein erster Schritt. Die FIFA hat ja auch die Olympische Charta unterschrieben, die sie aber entweder bewusst oder unbewusst missachtet. Sie sollte einfach viel mehr Wert darauf legen, dass ihre eigenen Regeln in den Mitgliedsverbänden auch eingehalten werden. Das Problem ist, dass für die FIFA offensichtlich Kommerz vor Menschenrechten geht. Das ist unhaltbar.
Könnten denn ein starkes Zeichen von der FIFA beziehungsweise internationale Reaktionen an der Lage in Afrika etwas ändern?
Auf lange Sicht sicherlich. Eben nicht von heute auf morgen, dazu ist die Gesellschaftsstruktur in Afrika zu unterschiedlich. Man hat eben diese Vorurteile. Da spielen auch die katholische Kirche und der Islam in vielen Ländern eine große Rolle, wo Religion vor Sport und vor Menschenrechte gesetzt wird. Aber es ist auch nicht das Ziel, dass der Sport gegen Religion und Gesetzgebung vorgeht, sondern der Sport sollte Bindeglied zwischen den Menschen sein und für Verständigung und Akzeptanz sorgen. Dafür setzen wir uns auch als Organisation ein.
Was die Akzeptanz von Homosexualität angeht, ist man im Frauenfußball schon einen Schritt weiter als im Männerfußball. Da gibt es so gut wie keine offen schwulen Fußballprofis. Ist das immer noch ein Tabu?
Es ist auch in Europa leider immer noch ein Tabu. Abgesehen von einem schwedischen Erstligaspieler, der sich vor zwei Monaten geoutet hat, hatte kaum jemand bisher die Courage, sich zu outen. Dabei haben sich mehrere deutsche Spieler in der Vergangenheit positiv zu dem Thema geäußert. Mario Gomez vom FC Bayern München hat beispielsweise gesagt, er hätte kein Problem damit, mit schwulen Spielern in einer Mannschaft zu spielen und er könne sich nicht vorstellen, dass ein Spieler Repressalien zu befürchten hätte. Solche Äußerungen wären vor zehn Jahren noch nicht denkbar gewesen, weil die Akzeptanz unter den Spielern noch nicht da gewesen wäre. Wenn man als Spieler damit rechnen muss, dass man schon von den Mitspielern aufgrund der sexuellen Orientierung nicht akzeptiert wird, dann hat man natürlich ein Problem damit, sich öffentlich zu outen. Wenn aber der Rückhalt in der Mannschaft da ist, fühlt man sich vielleicht schon etwas komfortabler bei der ganzen Geschichte. Diese Akzeptanz muss man in kleinen Schritten vermitteln.
Was tun Sie als Organisation, um die Lage von Schwulen und Lesben im Fußball zu verbessern?
Zum einen organisieren wir Freundschaftsspiele zwischen schwulen und mehrheitlich nicht-schwulen Teams. Damit machen wir den Leuten klar: Ihr spielt Fußball auf dem Platz und der Bessere wird gewinnen – und da waren bei weitem nicht immer die heterosexuellen Mannschaften die Gewinner. Zum anderen ermutigen wir unsere Vereine, auch heterosexuelle Spieler zu integrieren. Denn es wird sich nur etwas ändern, wenn die Leute sich verstehen und miteinander kommunizieren.
Das Gespräch führte Gönna Ketels.
Redaktion: Katrin Ogunsade