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15. Dezember 2010Am 1. Juli 2011 wird die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt - nach mehr als 50 Jahren. Dies beschloss das Bundesabinett am Mittwoch (15.12.2010) nach langen Diskussionen in den Unionsparteien. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. "Der Grundwehrdienst passt in seiner heutigen Form nicht mehr zu der Bundeswehr, die wir gerade neu ausrichten", sagt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). "Er ist sicherheitspolitisch nicht mehr begründbar."
In der Verfassung bleibt die Wehrpflicht zwar verankert, doch de facto ist das ihr Ende. Anfang Januar 2011 werden zum letzten Mal Wehrpflichtige einberufen, ihr Dienst dauert inzwischen nur noch sechs Monate. Danach heißt es Abschied nehmen von einer Institution, die seit 1957 die Bundeswehr geprägt hat. Ihren Nachwuchs will die Bundeswehr künftig aus 15.000 neuen Stellen für Freiwillige rekrutieren. Der freiwillige Wehrdienst dauert zwischen 12 und 23 Monate. Neu ist, dass sowohl der Soldat als auch die Bundeswehr in den ersten sechs Monaten kündigen können.
Freiwillige sollen Zivis ersetzen
Das Ende der Wehrpflicht bedeutet auch das Ende des Zivildienstes. In vielen sozialen Einrichtungen spielen die Zivildienstleistenden eine wichtige Rolle. "Wenn all dies ersatzlos wegfallen würde, dann wäre das für unser Land eine Katastrophe", sagt die zuständige Ministerin Kristina Schröder (CDU).
Abhilfe soll der neue Bundesfreiwilligendienst schaffen. Schulabgänger und Rentner, Männer und Frauen sollen freiwillig ein Jahr lang in Krankenhäusern und Altersheimen gemeinnützige Arbeit leisten. Die Regierung fördert den Bundesfreiwilligendienst mit 350 Millionen Euro pro Jahr, sie weiß aber, dass er den Ausfall der 90.000 sogenannten Zivis nicht ganz kompensieren kann. "Diese Illusion sollte man auch gar nicht wecken", sagt Ministerin Schröder.
Kleiner, aber nicht billiger
Die Bundeswehr hat ganz andere Sorgen: Sie braucht kein neues Personal, sie muss welches loswerden. Bis zu 185.000 Soldaten soll sie künftig haben. Derzeit sind es 250.000 Soldaten, allerdings inklusive der derzeit rund 62.000 Wehrdienstleistenden.
Auslöser für diese Reformpläne sind auch finanzielle Nöte. Bis 2014 soll Minister Guttenberg 8,4 Milliarden Euro einsparen. Zuerst hielt er das für möglich, dann ruderte er zurück. Gerade in der Anfangsphase werde die Reform mehr Geld kosten. Guttenberg sei "als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet", kommentiert die Opposition den gescheiterten Versuch, in naher Zukunft Geld im Verteidigungsetat einzusparen.
Autorin: Nina Werkhäuser
Redaktion: Kay-Alexander Scholz