Niedersachsen wählt - und alle zittern
17. Januar 2013Natürlich spiele diese Landtagswahl in Niedersachsen für ihn eine "wahnsinnige Rolle", sagt Peer Steinbrück, der Kanzlerkandidat der SPD. Der Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel sehnt sich nach Rückenwind für den Marathon bis zur Bundestagswahl im Herbst. Und lange Zeit schien Niedersachsen diesen Rückenwind liefern zu können. SPD und Grüne lagen zusammen klar vorn. In Vorfreude auf einen Wahlerfolg in dem norddeutschen Bundesland und die dann erreichte Mehrheit im Bundesrat kündigten die Sozialdemokraten bereits Gesetzesinitiativen in der Länderkammer an.
Doch aus dem klaren Umfragevorsprung von Rot-Grün ist zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Schwarz-Gelb geworden. Sollte die Ablösung der schwarz-gelben Landesregierung unter dem Christdemokraten und Merkel-Liebling David McAllister scheitern, dann sieht es schlecht aus für den Merkel-Rivalen Steinbrück. Alle, von den Medien bis zu parteiinternen Kritikern, würden für eine Niederlage in der niedersächsischen Provinz Steinbrück verantwortlich machen: Seine Nebenverdienst-Affäre mit Riesen-Honoraren aus der Wirtschaft, sein unglückseliges Schwadronieren über das angeblich zu niedrige Kanzlergehalt und nicht trinkbare Billigweine. Aus der SPD heißt es zwar, man werde den Kanzlerkandidaten nicht wechseln. Doch vor der Stunde der Wahrheit zittern die Sozialdemokraten, und nicht nur sie.
Schaffen FDP und Linke es ins Parlament?
Die Linke, die noch bei der vergangenen Landtagswahl auch in Niedersachsen ihre langersehnte Westausdehnung feiern konnte, könnte laut Umfragen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und wieder aus dem Landtag fliegen, wie zuletzt schon in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Das Zurückschrumpfen auf eine ostdeutsche Regionalpartei nähme dann immer mehr Gestalt an.
Als Schicksalstag gilt der Sonntag auch für FDP-Parteichef Philipp Rösler. In den Hinterzimmern seiner Partei werden bereits die Messer gewetzt, um den als blass und führungsschwach geltenden einstigen Jungstar ins politische Nirwana zu befördern. In bundesweiten Umfragen lagen die Liberalen zuletzt nur bei drei Prozent. Auch in Niedersachsen droht das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. "Es zerreißt mich innerlich, wenn ich den Zustand meiner Partei sehe", verkündete Entwicklungsminister Dirk Niebel jüngst und forderte Änderungen beim Führungspersonal. Rösler deutete schmallippig die Bereitschaft zu Konsequenzen an: Ein Bundesvorsitzender stehe immer für die Wahlergebnisse in einzelnen Bundesländern. Bei einem liberalen Misserfolg in Niedersachsen prophezeien manche, dass es dann ab Herbst erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einen Bundestag ohne FDP geben könnte. Doch so weit ist es noch nicht. Bereits vor den Landtagswahlen 2012 in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wurde die FDP totgesagt und holte - dank starker Spitzenkandidaten - überraschend jeweils mehr als acht Prozent der Stimmen. Die Hoffnung der FDP richtet sich diesmal wieder auf eine Besonderheit des Wahlrechts: Viele CDU-Wähler könnten ihre Erststimme dem eigenen christdemokratischen Direktkandidaten geben und mit ihrer Zweitstimme die FDP ins Parlament hieven.
Gutgelaunte Auftritte der Kanzlerin
Dann könnte das schwarz-gelbe Bündnis mit Ministerpräsident David McAllister Niedersachsen wahrscheinlich weiterregieren. Der Sprössling einer deutsch-schottischen Ehe kann mit rund 40 Prozent der Wählerstimmen rechnen. Ein Ergebnis, das ihm bei einem von der FDP verschuldeten Machtverlust in Hannover die Türen für ein Amt in der Bundeshauptstadt Berlin öffnen würde. Etwa, so wird gemunkelt, als Bildungsminister, wenn die derzeitige Amtsinhaberin Annette Schavan über die Plagiatsvorwürfe wegen ihrer Doktorarbeit stolpern würde.
Einzig Bundeskanzlerin Angela Merkel zittert nicht: Im Wahlkampf zeigte sie sich in den vergangenen beiden Wochen nicht weniger als sieben Mal gut gelaunt in der niedersächsischen Provinz an der Seite McAllisters, und betonte, wie viel Spaß ihr dieser Wahlkampf mache.
Die Gelassenheit hat ihren Grund: Selbst eine Abwahl von Schwarz-Gelb in Hannover würde Merkels Popularität im Bund wenig schaden. Schließlich wird ihr Kandidat McAllister voraussichtlich ein gutes Ergebnis erzielen, die Schuld an der Pleite von Schwarz-Gelb läge bei der FDP. Und um eine dritte Amtszeit als Kanzlerin zu erreichen, blieben Merkel noch weitere Koalitions-Optionen als nur ein Bündnis mit den Liberalen.