Den Haag: Massaker an Armeniern waren Genozid
22. Februar 2018Mit überwältigender Mehrheit stimmten die Abgeordneten einem entsprechenden Antrag zu. Es gab 142 Ja-Stimmen und nur drei Gegenstimmen. Die niederländischen Parlamentarier folgen damit anderen Organisationen und Staaten, die ähnlich lautende Resolutionen in den vergangenen Jahren verabschiedet haben, darunter der Deutsche Bundestag, Österreich, das EU-Parlament und auch der Papst.
Regierung betont: "Zurückhaltung ist geboten"
In der nun angenommenen Entschließung heißt es, dass das Parlament "in eindeutiger Weise vom Völkermord an den Armeniern" ausgeht. Die Abgeordneten beschlossen ebenfalls, künftig regelmäßig einen Regierungsvertreter zur Gedenkfeier in Armenien "für die Opfer des Völkermordes" zu entsenden.
Die niederländische Regierung will sich die Sprachregelung der Parlamentarier nicht zu Eigen machen. Sie kündigte an, weiterhin von "der Frage des armenischen Genozids" zu reden. Es sei "Zurückhaltung geboten", sagte Außenministerin Sigrid Kaag. Sie sicherte aber zu, dass ein Vertreter der Regierung beim Gedenken im April teilnehmen werde. "Das ist ein Zeichen des Respekts für die Opfer und Hinterbliebenen." Diese Geste sei aber nicht als stillschweigendes Anerkennen des Genozids zu bewerten, sagte Kaag.
Türkische Regierung bezeichnet Entscheidung als "ungültig"
Die türkische Regierung kritisierte das niederländische Parlament nur wenige Stunden später: "Wir verurteilen die heute vom niederländischen Parlament getroffene Entscheidung, die Ereignisse aus dem Jahr 1915 als Genozid anzuerkennen", teilte das türkische Außenministerium mit.
Die Entscheidung habe "keinerlei rechtliche Bindung oder Gültigkeit", heißt es in dem Statement. Die Türkei wirft den Niederlanden zudem vor, den Völkermord an muslimischen Bosniern durch bosnische Serben in Srebrenica während dem Bosnien-Krieg ignoriert zu haben. Niederländische UN-Friedenstruppen hatten die Enklave den bosnischen Serben ohne kriegerische Auseinandersetzung überlassen, bevor in einem der schlimmsten Massentötungen seit dem zweiten Weltkrieg über 8.000 Menschen ermordet wurden.
Verhältnis zu Ankara gilt als zerrüttet
Die Anerkennung der Verbrechen in Armenien als Völkermord - und sei es auch nur durch das Parlament in Den Haag - könnte die ohnehin angespannten Beziehungen des westeuropäischen EU-Staates zur Türkei weiter verschlechtern. Das Verhältnis der beiden NATO-Partner ist angespannt, seitdem die Niederlande im vergangenen März zwei türkische Minister daran hinderten, öffentlich kurz vor der niederländischen Parlamentswahl aufzutreten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Niederlanden wie auch Deutschland wegen der Auftrittsverbote "Nazi-Methoden" vorgeworfen.
Anfang Februar gab die niederländische Regierung bekannt, ihren Botschafter aus der Türkei endgültig abzuziehen. Als Grund nannte sie, dass Gespräche über eine Normalisierung der Beziehungen keine Einigung gebracht hätten. Der Botschafter war bereits seit März 2017 außer Landes.
Bei Massentötungen und Deportationen von Armeniern waren im damaligen Osmanischen Reich, dessen Rechtsnachfolger die Türkei ist, von 1915 an nach Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Angehörige der christlichen Minderheit ums Leben gekommen. Die Türkei bedauert dies, lehnt die Einstufung als Völkermord aber strikt ab. Aus ihrer Sicht handelte es sich um einen Bürgerkrieg zwischen Türken und Armeniern, bei dem beide Seiten zahlreiche Opfer zu beklagen hatten.
myk/qu/uh/mak (dpa, afp, rtr)