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Nicht die Sprache ist wichtig, sondern was gesagt wird

Peter Philipp19. Januar 2005

Darf ein deutscher Politiker 60 Jahre nach dem Holocaust in der israelischen Knesset eine Rede auf Deutsch halten? Peter Philipp hält diese Diskussion für unnötig und wenig klug.

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Mehrere israelische Abgeordnete haben gegen eine für Anfang Februar 2005 geplante Rede von Bundespräsident Horst Köhler vor der Knesset protestiert. So lange es noch Überlebende der Shoah gebe, sei es unziemlich, dass die deutsche Sprache im israelischen Parlament gesprochen werde, sagte Gesundheitsminister Danny Naveh von der regierenden Likud-Partei. Der Bundespräsident soll anlässlich des 40. Jahrestages der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik sprechen.

Die Sprache der Täter habe nichts in diesem hohen Hause verloren, argumentieren wütend einige Parlamentarier und fordern die Absage des Präsidentenauftritts. Obwohl Amtsvorgänger Rau doch bereits vor vier Jahren hier auf Deutsch geredet hatte.

Von Seiten des Bundespräsidenten ist bisher nichts dazu zu hören. Vielleicht auch besser so, denn dies ist kein Thema für die Gazetten. Obwohl es genau da gelandet ist: Die einen - etwa der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel - fordern Rücksicht gegenüber den Gefühlen der Holocaust-Opfer. Andere wie "Literaturpapst" Reich-Ranicki - der selbst Überlebender des Holocaust ist - finden es empörend, dass die deutsche Sprache durch den Massenmord diskreditiert sei. Vielmehr haben doch die Nazis diese Sprache missbraucht.

Probleme im Umgang mit Deutsch und deutscher Kultur sind nicht neu in Israel: Deutsche Filme wurden deswegen jahrelang nicht gezeigt - dafür aber österreichische Schnulzen. Wagner und Richard Strauß sorgen auch immer wieder für Kontroversen. Aber gleichzeitig gibt es inzwischen israelische Gymnasien, an denen Deutsch unterrichtet wird.

Der Streit um die Köhler-Rede mutet auch merkwürdig an vor dem Hintergrund, dass Israel Deutschland längst als seinen politisch zuverlässigsten Freund in Europa betrachtet. Aber es bleibt immer noch das Gerangel um das Adjektiv "normal" im Gedächtnis: Jahrelang versuchten deutsche Politiker Jerusalem abzuringen, die Beziehungen als normal zu bezeichnen. Schließlich fand man sich damit ab, sie seien "ausgezeichnet", aber eben nicht "normal".

Diese Diskussion nun wieder in Jerusalem anzuheizen, zeugt von politischer Unklugheit. Denn der Streit wird bei gewissen Kreisen in Deutschland auf "fruchtbaren" Boden fallen und anti-israelische, wenn nicht gar anti-jüdische Ressentiments füttern. Das aber brauchen wir ebenso wenig in Deutschland wie in Israel. Was heutzutage vonnöten ist, das sind vernünftige, enge und gute Beziehungen, in denen der eine dem anderen zuhört. Auch wenn dieser andere dabei Deutsch spricht.

Schließlich ist es nicht so wichtig, in welcher Sprache gesprochen, sondern was gesagt wird. Und es ist unangebracht, die Rede des Bundespräsidenten nur unter diesem Aspekt zu beurteilen - noch bevor sie überhaupt gehalten wurde.