Kurzes Verfahren
13. November 2009Prozesse in Italien sollen künftig nicht länger als sechs Jahre dauern - dann soll ein rechtskräftiges Urteil ergehen. Wenn nicht, ist der Prozess geplatzt. Das ist der neue Plan der Koalition unter Silvio Berlusconi. Ausgenommen davon sind Delikte des Organisierten Verbrechens, Mord, Terrorismus und illegale Einwanderung.
Straffreiheit wegen zu langer Prozesse?
Bis auf den letzten Punkt klingt das selbst in den Ohren der Opposition halbwegs vernünftig. "Kurze Prozessdauer? Sehr gerne. Gesetze, die die Justiz verschlanken, sind höchst wünschenswert", sagt Pierluigi Bersani, der Chef der größten Oppositionspartei. "Aber Gesetze, die laufende Verfahren platzen lassen, sind nicht hinzunehmen."
Der Rundumschlag duch die Gesetzesvorlage könnte Zehntausende Verfahren ohne Urteil beenden, so die oberste Richtervertretung des Landes. Das würde Straffreiheit für eine Vielzahl von Menschen bedeuten, die mutmaßlich gegen Gesetze verstoßen haben. Auch Berlusconi, der in mindestens zwei Fällen die Wiederaufnahme seiner Verfahren erwartet, könnte davon profitieren: Die Korruptionsverfahren gegen ihn und seine Firmen hätten keine oder kaum Aussicht, zu Ende geführt zu werden.
Prozesse ziehen sich in Italien über Jahre hin
Mit der Gesetzesvorlage erfülle Italien endlich die Forderung der EU, die Prozessdauer zu verkürzen, so der Fraktionschef der Berlusconi-Partei "Volk der Freiheit" im Senat, Maurizio Gasparri. Denn die Prozesse dauern in Italien überdurchschnittlich lange. "Wir schlagen ein Gesetz vor, das Verfahren Ablaufzeiten garantiert. Unter Achtung der Verfassung und der internationalen Regeln", sagt Gasparri.
Doch diese Verfassungsmäßigkeit der Vorlage bezweifeln einige Rechtskenner. Die Vorsitzende des Justizausschusses, eine Parteigängerin Berlusconis, sieht darin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Schwerere Vergehen als illegale Einwanderung würden faktisch früher verjähren als diese.
Verjährungsfristen unangetastet
Dass dieses Gesetz auch Verfahren berühren würde, in denen der Regierungschef selbst zur Verantwortung gezogen könnte, erscheint vielen Beobachtern fast schon als das kleinere Übel: Selbst die jetzt geltenden Verjährungsfristen hätten dafür gesorgt, dass der 73-jährige Silvio Berlusconi ein rechtskräftiges Urteil in den betreffenden Korruptionsverfahren nicht mehr erlebt.
Gianfranco Fini, als Chef der Nationalen gewissermaßen der zweite Mann in der Berlusconi-Partei, hatte sich dafür eingesetzt, die Verjährungsfristen unberührt zu lassen. Das machte ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Premier notwendig. Danach wurde offenbar beschlossen, den Verfahren über eine neue Vorschrift zu deren Höchstdauer beizukommen.
Autor: Gregor Hoppe
Redaktion: Julia Kuckelkorn