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Politik

Neuer Schwung für Einheitsdenkmal?

21. August 2018

Die Deutschen und ihre Geschichte - ein Spannungsverhältnis. Das wird auch im langjährigen Streit um das geplante Einheitsdenkmal spürbar. Sein Bau könnte ab diesem Mittwoch wahrscheinlicher werden.

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Berlin Modell des geplanten Einheitsdenkmals - Einheitswippe
Bild: picture-alliance/dpa/Foto: Milla&Partner/Sasha Waltz

Zu den erfreulichsten und wichtigsten Ereignissen in der deutschen Geschichte zählt der Mauerfall und die Wiedervereinigung im November 1989/90. Insofern sollte der historische Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland allemal ein Denkmal wert sein. So sieht das im Prinzip auch der Bundestag. Bereits im November 2007 gaben die Abgeordneten Grünes Licht. Erinnert werden soll "an die Friedliche Revolution im Herbst 1989 und an die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands", heißt es in dem Bundestagsbeschluss. Gewürdigt werden soll dabei der Mut der ehemaligen DDR-Bürger, "der die deutsche Einheit in Freiheit erst ermöglicht hat."

Spielball politischer Interessen

Während Länder wie die USA oder Frankreich ein solches Denkmal voller Selbstbewusstsein und Stolz wohl längst gebaut hätten, ist man sich in Deutschland aber bei der konkreten Umsetzung des Einheitsgedenkens überhaupt nicht einig. Im Gegenteil: Um das eigentlich verbindende innerdeutsche Projekt wird seit zehn Jahren erbittert gestritten. Einigen Kritikern passt der geplante Standort in der Berliner Stadtmitte nicht, andere zweifeln am Modell des Denkmals. Weitere Gegner führen diverse Gründe wie den Tierschutz ins Feld. Die Politik schwankte zwischen Umsetzung und Stopp des Projekts, zerrte mal in die eine, mal in die andere Richtung. So ist das geplante Denkmal auch zum Spielball politischer Gegenspieler mutiert. Obendrein hält sich das Interesse der Bevölkerung in sehr überschaubaren Grenzen. Die Folge: Flaute am Bau.

Berlin, 77-Tage-Demo für Einheitswippe vor dem Reichstag
Der Verein Berliner Historische Mitte will bis zum 9. November 2018, dem Tag des Mauerfalls, auf der Reichstagswiese für einen neuen Standort des Denkmals werbenBild: picture-alliance/dpa/B.v.Jutrczenka

An diesem Mittwoch könnte das stockende, schon mehrfach totgesagte Projekt wieder an Schwung gewinnen. Dann wird das Grundstück verkauft, auf dem das Einheitsdenkmal stehen soll. Berlin veräußert an den Bund. Damit wäre eine zentrale Hürde auf dem Weg zum Baubeginn genommen, denn Auftraggeber des Bauwerks ist der Bund. So lange er nicht im Besitz des ausgewählten Grundstücks ist, darf dort kein Maurer eine Kelle in die Hand nehmen. Doch angesichts der Querelen sind Freude und Dankbarkeit über die friedliche Revolution und die deutsche Wiedervereinigung längst auf der Strecke geblieben.

Entwurf als Bananenschale verspottet

Von Anfang an stand das Projekt unter keinem guten Stern. Zunächst gab es Zweifel an dem von dem Architektenbüro Milla und Partner sowie der Choreografin Sascha Waltz ausgearbeiteten Entwurf des Einheitsdenkmals: Eine 50 Meter breite, begehbare sanft nach oben gebogene Schalenkonstruktion, die von Besuchern sachte in Bewegung gesetzt werden kann. Darauf stehen die Sätze: "Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk". Wie bei der friedlichen Revolution von 1989 müssten sich die Besucher verständigen und zu gemeinsamem Handeln entschließen, um etwas zu bewegen, heißt es auf der Homepage von Milla und Partner: "Wenn sich auf einer Schalenhälfte mindestens 20 Personen mehr zusammenfinden als auf der anderen, beginnt sich die Schale langsam und sanft zu neigen. Neue Perspektiven öffnen sich."

Es sollen also Parallelen zur politischen Weiterentwicklung Deutschlands aufgezeigt werden. Doch was gut gemeint ist, kommt nicht immer gut an. Viele Kritiker verspotten den Entwurf als "Einheitswippe", "Bananenschale" oder "Goldschüssel". Gestritten wird auch über den Standort. Entstehen soll das Denkmal auf dem Sockel eines Reiterstandbildes von Kaiser Wilhelm I vor dem im Wiederaufbau befindlichen Berliner Stadtschloss. Dagegen protestiert unter anderen die Bürgerinitiative Verein Berliner Historische Mitte.

Fledermäuse lassen Kosten explodieren

"Es gibt den Vorgang 1989: Fall der Mauer. Und es gibt die deutsche Einheit. Das ist das Jahr 1990. Das ist was anderes", erklärt die Organisatorin des Protests, Annette Ahme. Es gehe in diesem Fall eben "darum, an die Einheit zu denken." Deshalb fordert Ahme einen anderen Standort für das Einheitsdenkmal. Uns zwar vor dem Reichstag, wo die Einheit parlamentarisch beschlossen wurde.

Berlin Modell des geplanten Einheitsdenkmals - Einheitswippe
Bis zu 1.400 Menschen sollen das Einheitsdenkmal gleichzeitig betreten können.Bild: picture-alliance/dpa/Foto: Milla&Partner

Eigentlich sollte schon 2013 gebaut werden. Daraus wurde aber nichts. Unter dem Gewölbe des Reiterstandbildes am Schlossplatz entdeckten Begutachter eine Kolonie Fledermäuse, für die erstmal eine neue, artgerechte Bleibe gesucht wurde. Dann musste die Konservierung wertvoller Fliesen an dem Standbild abgewartet werden. Die Kosten für das Einheitsdenkmal stiegen von ursprünglich zehn Millionen Euro auf rund siebzehn Millionen. Mehrfach stand das Projekt auf der Kippe. 2016 stoppte es sogar vorübergehend der Haushaltsausschuss des Bundestages. Erst im Mai 2017 und nach langen Diskussionen bekräftigte der Bundestag, an den ursprünglichen Plänen festzuhalten.

Zweifel an deutscher "Denkmalsfähigkeit"

Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die für das Projekt von Seiten der Bundesregierung zuständig ist, hat das Zerwürfnis sogar zweifeln lassen, ob die Deutschen "auch mit Blick auf im positiven Sinne identitätsstiftende Erinnerungen denkmalfähig" seien. So formulierte sie pointiert in einer Podiumsdiskussion zur Denkmalskultur vor zwei Jahren als das geplante Einheits-Denkmal wieder einmal vor dem Aus stand. Generell tue sich Deutschland schwer bei der Errichtung von Nationaldenkmälern, erläuterte sie ergänzend.

"Nach all dem Leid, das Deutschland im 20. Jahrhundert über Europa und die Welt gebracht hat, waren Nationaldenkmäler nach 1945 geradezu undenkbar." Glücklich, vielleicht sogar stolz und selbstbewusst zurückzuschauen auf die eigene Freiheits- und Demokratiegeschichte, das falle den Deutschen offenbar besonders schwer. In diesem Zusammenhang verwies Grütters auf das Holocaust-Mahnmal als positives Beispiel. "Das nach 1990 - nach mehr als zehn Jahren des Debattierens und Streitens, nach Wettbewerben mit mehreren hundert eingereichten Entwürfen und nach mehrfacher Überarbeitung des letztlich ausgewählten Projekts - zum bedeutendsten Denkmal in Berlin wurde, das hat für sich genommen schon hohe Symbolkraft."

Holocaust Mahnmal in Berlin Deutschland Flash-Galerie
Auch vor dem Bau des Holocaust-Mahnmals in Berlin hatte es viele Diskussionen gegebenBild: AP

Ob das geplante Einheitsdenkmal auch nur annähernd eine solche Symbolkraft entfalten kann, darf durchaus bezweifelt werden. Noch hakt es weiterhin an der Realisation. Die Zeit drängt. Angesichts baugewerblicher Genehmigungen und Vorlaufzeiten im Baugewerbe gibt es ohnehin Zweifel, ob das Monument überhaupt pünktlich zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2019 fertiggestellt werden kann.

Deutschlands Ruf steht auf dem Spiel

Nach dem peinlichen Skandal um den schier unendlichen Bau des Berliner Flughafens ist Deutschlands internationaler Ruf als Land hochprofessioneller Ingenieurskunst angeschlagen und kann sich kaum eine weitere Pleite leisten. Die unfreiwillige Botschaft ans Ausland wäre dann: Deutschland scheitert mittlerweile nicht nur an Großprojekten, sondern auch an kleinen Bauten – selbst dann, wenn es um die Deutsche Einheit geht.

 

Ralf Bosen, Redakteur
Ralf Bosen Autor und Redakteur
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