Hoffnungsschimmer?
4. September 2007Die Fronten im Zypern-Konflikt sind ziemlich verhärtet. Sowohl die Türkei als auch Zypern selbst blockieren bislang eine umfassende Lösung. Deshalb sei es wichtig, dass jetzt wieder geredet werde, meint Professor Michael Brzoska, wissenschaftlicher Direktor des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik: Der Problemdruck sei auf beiden Seiten groß. Beide Gebiete seien der Meinung ein eigener Teilstaat zu sein, jedoch durchaus bereit, über eine Wiedervereinigung ganz Zyperns zu sprechen. "Und beide sind als Zwischenlösung daran interessiert, den Waren- und Personenverkehr zu regeln" so Brzoska. Solche Themen würden zunächst auf der Tagesordnung stehen. Als nächstes dann - möglicherweise - ein Verhandlungsfahrplan für eine Wiedervereinigung.
Den gab es schon einmal, 2004. Gemeinsam hatten die Vereinten Nationen und die EU das Drehbuch zur Lösung des Zypern-Konflikts geschrieben. Die Wiedervereinigung der seit 30 Jahren geteilten Insel sollte das erste Meisterstück zur Erweiterung der Union werden. Und alle, so schien es damals, waren dafür. Griechenland, das beharrlich gedroht hatte, die Osterweiterung der EU zu blockieren, erreichte so, dass Zypern überhaupt zum EU-Beitrittskandidaten wurde und drängte die griechischen Zyprioten, dem Vereinigungsplan von Kofi Annan zuzustimmen.
Scheitern des Vereinigungsplans von 2004
Die türkische Regierung erhoffte sich durch die Wiedervereinigung bessere Chancen auf den EU-Beitritt und die EU wollte mit einer Zypernlösung beweisen, dass sie selbst Frieden stiften kann. Doch der Coup scheiterte. Während die Türken im armen Norden der Insel der Vereinigung zustimmten, sagten die Griechen im reichen Südteil der Insel Nein. Am 1. Mai 2004 wurde die griechisch-dominierte Republik Zypern trotzdem als neues Mitglied in die EU aufgenommen - ohne den türkischen Norden. Ein Konstruktionsfehler?
Michael Brzoska sagt dazu, es sei insofern ein Konstruktionsfehler gewesen, die Druckposition gegenüber dem Norden und dem Süden unterschiedlich aufzubauen. Man hätte nicht sagen dürfen, der Norden könne nur mit Zustimmung des Südens Mitglied werden, während dem Süden gesagt wurde, er werde in jedem Fall Mitglied. "Insofern war es deutlich, dass der EU-Beitritt nicht davon abhängt, ob man dem Referendum zustimmt. Das hat man vorher nicht bedacht."
Gründe für die Ablehnung
Dass die griechischen Zyprer die Wiedervereinigung ablehnten, hatte vor allem einen Grund: Sie forderten den vollständigen Abzug des türkischen Militärs aus dem besetzten Norden der Insel - auch heute noch eine der wichtigsten Forderungen. Die jüngere Geschichte erklärt, warum dies ein Trauma ist, allerdings für beide Seiten. Als 1974 die griechische Militärjunta auf Zypern gegen den Staatspräsidenten, Erzbischof Makarios, putschte, um die Vereinigung der Insel mit Griechenland voranzutreiben, sandte der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit in der "Operation Attila" die Armee zum Schutz der Inseltürken nach Zypern. 200.000 griechisch-stämmige Zyprer wurden damals vertrieben, 160.000 Menschen aus der Türkei im Norden der Insel angesiedelt. Etwa 35.000 türkische Soldaten sind dort heute noch stationiert.
Daten und Fakten zu Zypern
Gegen die Anwesenheit des türkischen Militärs kann der Führer der türkischen Volksgruppe, der Reformer Mehmet Ali Talat, im Alleingang nichts unternehmen, das könnte nur die türkische Regierung: "In der Türkei selbst ist das ein schwieriges Thema." sagt Brzoska. Im Moment sei die Regierung mit dem Militär in einer Reihe von Punkten so überkreuz, dass das fraglich sei. Andererseits seien Militärstützpunkte im Norden nicht mehr so wichtig wie noch vor einiger Zeit. Auch beim Militär müsse Gesprächsbereitschaft für eine Lösung bestehen. "Wenn ganz Zypern Mitglied der EU wird, ist es nicht mehr nötig, so stark auf die militärische Karte zu setzen" so Brzoska.
Zypern fordert die Ratifizierung des Ankara-Protokolls
Neben dem Abzug des türkischen Militärs fordert das EU-Mitglied Zypern von Ankara die Ratifizierung des so genannten Ankara-Protokolls. Damit würde die EU-Zollunion, die die Türkei mit den neuen EU-Staaten hat, auch auf Zypern ausgedehnt. Das hieße aber, dass die Türkei Zypern anerkennen würde. Nachdem Ankara hier keine Zugeständnisse machen wollte, hat die EU die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gebremst. Im Gegenzug blockiert Zypern mit seinem Veto Initiativen der EU, die den armen türkischen Norden aus der ökonomischen Isolation helfen sollen. Angestrebt wurde unter anderem der Direkthandel mit der EU über einen ausgewählten nordzyprischen Hafen. Bis heute aber läuft diese Initiative ins Leere.
Politische Lösungen müssen her
Obwohl viele Wirtschaftsthemen angesprochen sind, kann dieser Konflikt nur politisch gelöst werden. Dabei scheidet für die türkische Seite die EU als Vermittler im Zypernkonflikt aus: So Abdullah Gül noch vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten: "Wir haben die Zypernfrage selbstverständlich als ein politisches Problem behandelt und besonders unterstrichen, dass diese Frage auf Ebene der Vereinten Nationen gelöst werden muss." Angesichts einer umfangreichen Lösung sei es ganz wichtig, dass Zypern nicht von der UN-Plattform auf die EU-Plattform rutsche. Für alle Beteiligten sei also Vorsicht geboten.
Ein schweres Kapitel
Die EU kann in diesem Konflikt kein neutraler Vermittler mehr sein. Sie ist durch den Beschluss, Zypern zum Vollmitglied der EU zu machen, parteiisch geworden. Gegen ihr Vollmitglied Zypern hat die EU kein Druckmittel in der Hand, sie kann nur materielle Anreize geben. Anders im Fall der Türkei. Von ihrer Kompromissbereitschaft im Zypernkonflikt hängt auch der Fortgang der Beitrittsverhandlungen ab.
Doch es sei der falsche Weg, Druck auf Ankara auszuüben, meint Michael Brzoska: "Das ist ein schwieriges Kapitel." Zu starker Druck auf die Türkei könne den Widerstand des Militärs stärken. Die Regierung sei deutlich kompromissbereiter als das Militär und mit ihm verbündete politische Organisationen und Parteien. "Wenn man den Anreiz der EU-Mitgliedschaft geschickt spielt, kann man in der Türkei viel bewegen", so Brzoska. Die Verhandlungen müssten jedoch glaubwürdig bleiben. Sonst stärke man die Position derjenigen, die nicht an eine EU-Mitgliedschaft glaubten und fragten "Warum sollen wir uns kompromissbereit zeigen, wenn am Ende nichts dabei herauskommt?"