Alles bleibt, wie es ist
1. Juli 2010Als General Stanley McCrystal vor einer Woche entlassen wurde, war das in Washington eine hochdramatische Angelegenheit. Im Brüsseler NATO-Hauptquartier dagegen ging Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in einer Videobotschaft betont gelassen damit um: "Ich habe zur Kenntnis genommen, dass General McCrystal als Befehlshaber der NATO-geführten Mission in Afghanistan zurücktritt."
Auch beim Besuch des neuen Afghanistan-Befehlshabers, General David Petraeus, gab Rasmussen dem Vorgang einen routinierten Anstrich. Danach wird sich in Afghanistan nichts Wesentliches ändern. "Dies ist ein Kommandowechsel, kein Strategiewechsel", so Rasmussen. Und falls jemand noch nicht wusste, worin die altbewährte Strategie besteht, lieferte er noch einmal eine Definition: "Die Strategie ist, die Taliban politisch und militärisch in ihrem Kernland anzugreifen und den Afghanen schrittweise die Hauptverantwortung zu übertragen." Die Mission solle so lange dauern, "wie nötig ist, um unsere Aufgabe zu erfüllen."
Offenes Ende der Mission
Wann das sein wird, lässt Rasmussen offen. Aber damit trifft er einen zunehmend wunden Punkt. Denn immer mehr NATO-Länder stehen unter hohem Druck ihrer Bevölkerung, die eigenen Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Für die ausländischen Soldaten war der vergangene Juni der Monat mit den meisten Todesopfern seit Beginn der Operationen im Jahr 2001: Es gab mehr als 100.
Daher wird auch die Forderung nach anderen Einsatzbedingungen lauter, im Klartext: Die Soldaten wollen sich leichter verteidigen können. Das lehnt Petraeus aber ab. Denn damit würde seiner Meinung nach ein anderes Problem wieder größer, nämlich die Zahl der zivilen afghanischen Opfer. Sie hat die NATO eine Menge Glaubwürdigkeit gekostet und ist nun endlich deutlich zurückgegangen. "Bei einer Aufstandsbekämpfung ist die menschliche Seite die entscheidende. Und deshalb müssen wir alles Menschenmögliche tun, um die Bevölkerung zu schützen und den Verlust unschuldiger Menschenleben zu verringern."
Afghanische Regierung muss mehr tun
Petraeus steht auch, wie zuvor bereits McCrystal, für einen sogenannten umfassenden Ansatz, der ebensoviel Wert auf die militärische wie auf die zivile Seite der Mission legt. Dafür muss in seinen Augen aber auch die afghanische Regierung noch mehr tun, vor allem in zweierlei Hinsicht. "Wir werden besonders auf Einbindung und Transparenz achten. Es muss ein noch größeres Spektrum der afghanischen Bevölkerung eingebunden werden, und es muss deutlicher erklärt werden, wie Entscheidungen getroffen werden und wie Geld verteilt wird."
Auch diese Forderung ist nicht neu. Die Botschaft des Petraeus-Besuchs lautet: Präsident Barack Obama mag seinen General McCrystal gefeuert haben, aber bitte keine Panik: Unsere Afghanistan-Mission geht ganz normal weiter.
Autor: Christoph Hasselbach, Brüssel
Redaktion: Ursula Kissel