Zerreißprobe für Sudan
9. Februar 2010Vor wenigen Tagen erst drohte Sudans Außenminister Deng Along von der SPLM, der Süden könnte die Wahlen boykottieren. Begründung: Die Regierung in Khartum habe die Zahl der Wahlkreise manipuliert. Dadurch sei der Süden im neuen Parlament automatisch unterrepräsentiert. Ein neues Sicherheitsgesetz, die Besetzung der Wahlkommission oder eben die Einteilung der Wahlkreise: Zwischen der Nationalen Kongresspartei NPC aus dem Norden und den früheren Rebellen der SPLM im Süden spitzen sich die Konflikte im Vorfeld der Wahlen immer wieder zu. Die Sudan-Expertin Marina Peter ist trotzdem zuversichtlich, dass die Wahlen stattfinden werden. "Die Wahlen sind im Interesse vieler Beteiligter im Sudan, inklusive des amtierenden Präsidenten selbst", sagt Peter. Er erhoffe sich, gewählt zu werden und eine Legitimation zu bekommen, die dann eine Anklage vor dem Internationalen Gerichtshof verhindere. "Aber auch die Menschen im Süden blicken auf die Wahlen, insbesondere in den verschiedenen Landesteilen, weil sie bisher nur Parlamente haben, in denen ernannte Parlamentarier sitzen, und man erhofft sich, dass man jetzt die eigenen Leute wählen kann."
Menschenrechtsverletzungen
Doch wie frei und fair die Wahlen werden, mag noch niemand sagen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beispielsweise hat zahlreiche Einschüchterungen von Oppositionellen dokumentiert. Laut Human Rights Watch haben Sicherheitskräfte im Nord- und Südsudan Anhänger von Oppositionsparteien verhaftet. Einige saßen danach ohne Begründung wochenlang im Gefängnis. Das macht den Wahlkampf für die Oppositionsparteien schwer. Eigentlich sollte ein neues Sicherheitsgesetz der Polizei solche Aktionen verbieten. Doch trotzdem sei die Lage nicht besser geworden, sagt David de Dau. Er ist Sprecher der Zivilgesellschaftskoalition im Südsudan, eines Zusammenschlusses von Menschenrechtsgruppen. "Wir haben keine Meinungsfreiheit. Man kann hier keinen Bürger finden, der sich auf offener Straße mit einem Journalisten unterhält", sagt de Dau. Auch die Presse habe nicht viele Freiheiten. Eine Versammlungsfreiheit existiere kaum. Mitglieder diverser politischer Parteien seien in verschiedenen Regionen von Sicherheitskräften gestört worden. "Das widerspricht den Prinzipien von Demokratie und freien und fairen Wahlen."
Probleme mit der Infrastruktur
Zudem wird wahrscheinlich gar nicht jeder Wahlberechtigte überhaupt ein Wahllokal erreichen können. Denn im Südsudan gibt es außerhalb der Hauptstadt Juba kaum asphaltierte Straßen. Bestimmte Gegenden zu erreichen, dauert Tage. Doch für Stimmabgabe und die Auszählung ist nur eine Woche vorgesehen. Zu wenig, glauben Experten.
David de Dau kennt noch einen weiteren Grund, warum in manchen Regionen nicht gewählt wird: Die Vielzahl gewaltsamer Konflikte im Sudan. "In Darfur gibt es noch immer einen Konflikt zwischen Rebellen und der Regierung", sagt de Dau. Dort seien noch nicht mal alle Wähler registriert worden, sondern meist nur die in den Städten. Ähnlich sehe es im Südsudan und in manchen Gebieten im Norden aus. "Es gibt nur wenige Städte im Süden, die eine ausreichende Infrastruktur haben, um zu wählen oder die Wähler aufzuklären. Die meisten Bürger sind über den Ablauf der Wahl noch nicht einmal aufgeklärt worden."
Unerfahrene Wähler
Dabei brauchen die Wähler dringend Informationen. Viele haben wegen des Bürgerkrieges noch nie an einer Wahl teilgenommen und kennen den Ablauf nicht. Und die Südsudanesen müssen zwischen elf verschiedenen Stimmzetteln unterscheiden können. Denn sie wählen nicht nur ein Parlament für den Gesamt-Sudan, sondern auch ein Regionalparlament für den Süden, einen gesamt-sudanesischen und einen südsudanesischen Präsidenten und regionale Institutionen.
Daher plädieren manche sudanesische Politiker dafür, die Wahlen zu verschieben. Zum Beispiel, um mehr Zeit für die Wähleraufklärung zu haben. Doch das halten Experten für keine gute Lösung. Denn im Januar 2011 sollen die Südsudanesen in einer Volksabstimmung entscheiden, ob sie unabhängig werden wollen. So steht es im Friedensabkommen, das Norden und Süden vor fünf Jahren unterschrieben haben. Genauso ist dort festgehalten, dass die Wahlen vor der Volksabstimmung stattfinden müssen. Eine Verschiebung der Wahlen würde auch zu einer Verschiebung des Referendums führen. Denn auch das muss vorbereitet werden. Experten wie Marina Peter sehen solche Pläne mit Sorge. "Wenn die Wahlen nicht vernünftig durchgeführt werden, ist das Referendum gefährdet. Wenn das Referendum gefährdet wird, werden sich das die Leute kaum gefallen lassen. Sie werden mit aller Macht versuchen, das Referendum durchzusetzen. Wenn das mit den eigentlich vereinbarten Mitteln nicht gelingt, dann wird es zu einer einseitigen Ausrufung der Unabhängigkeit kommen", sagt Peter.
Doch das würde der Norden kaum akzeptieren. Daher hoffen alle Experten darauf, dass die Wahlen trotz der vielen Probleme stattfinden – damit das Friedensabkommen bestehen bleibt und kein neuer Bürgerkrieg den Sudan erschüttert.
Autor: Daniel Pelz
Redaktion: Christine Harjes