Neue US-Bitte um Aufnahme von Häftlingen
11. Juni 2009Wer in Berlin geglaubt hatte, Deutschland sei im Streit um die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen aus dem Schneider, sah sich flugs getäuscht: Zwar werden 17 Angehörige der uigurischen Volksgruppe, von denen eigentlich ein großer Teil in die Bundesrepublik sollte, auf den Inselstaat Palau gebracht. Doch Washington hat umgehend wegen weiterer Unterstützung angefragt.
Berlin auch diesmal zunächst ablehnend
"Im Bundesinnenministerium sind zwei weitere Bitten angekommen", bestätigte ein Sprecher in Berlin am Donnerstag (11.07.2009) entsprechende Presseberichte. Über die Anfrage könne die Regierung allerdings bisher nicht abschließend entscheiden: "Wir brauchen, wenn wir es prüfen sollen, mehr Informationen", so die bereits bekannte Rhetorik.
Nach Angaben aus Sicherheitskreisen handelt es sich bei den Häftlingen diesmal nicht um Uiguren, sondern vermutlich um aus Tunesien und Syrien stammende Gefangene. Die Bundesregierung will prüfen, ob die Häftlinge ungefährlich sind, warum sie nicht in den USA bleiben oder in ihr Heimatland zurückkehren können und ob es einen Bezug zu Deutschland gibt.
Dem Ansehen Deutschlands geschadet?
Diese zögerliche Haltung ist innerhalb des Regierungslagers umstritten, provoziert aber auch regelmäßig Kritik der Opposition und von Menschenrechtsgruppen. Schon mit seinem Vorgehen in der Sache der uigurischen Guantanamo-Häftlinge habe Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) dem "humanitären Ruf der Bundesrepublik geschadet" und die "Beziehungen zu den USA schwer belastet", beklagte zum Beispiel Grünen-Chefin Claudia Roth. "Schäuble prüfte und prüfte, bis der Kleinstaat Palau einsprang", so Roth.
Die Uiguren sind ein muslimisch geprägtes Turkvolk, das zum Großteil im westchinesischen Xinjiang lebt. China hat mehrere Uiguren-Gruppen zu terroristischen Vereinigungen erklärt und macht Separatisten für etwa 300 Anschläge mit mehr als 160 Toten seit 1990 verantwortlich. Uiguren werden laut Bürgerrechtlern mit Zwangsumsiedlungen, Folter, Massenverhaftungen und Todesurteilen von China unterdrückt.
Flüchtlinge und keine Kämpfer?
Die in Guantanamo auf Kuba einsitzenden Uiguren sollen - so sagen Anwälte, Menschenrechtler und Exilgruppen - Flüchtlinge sein, die zwar gegen den Kommunismus in China kämpften, aber nicht gegen die USA. Einige seien von pakistanischen Stellen willkürlich und teils gegen Belohnung an die USA ausgeliefert worden. Das Pentagon hatte bereits im vergangenen Jahr entschieden, dass die Uiguren "keine feindlichen Kämpfer" seien.
China pocht nachdrücklich auf Auslieferung
Die Pekinger Regierung beharrt darauf, die 17 uigurischen Häftlinge aus Guantanamo müssten an China ausgeliefert werden. Die USA wurden erneut aufgefordert, die Uiguren "so schnell wie möglich" an China zu übergeben. Eine Aufnahme in einem Drittstaat lehne man ab, sagte Außenamtssprecher Qin Gang. 2006 waren bereits sechs Uiguren in Albanien untergebracht worden, ebenfalls begleitet von Protesten Chinas.
Überwachtes Inselparadies
Palaus Führung zeigt sich zunächst standfest. Es handele sich um eine reine Geste der Humanität, betonte Präsident Johnson Toribiong. Die Uiguren seien "internationale Vagabunden" geworden, denen man einen neuen Start ermöglichen wolle. Dementiert wurden Berichte, die USA hätten für die Aufnahme der Uiguren 200 Millionen Dollar versprochen.
Das ozeanische Palau war früher amerikanisches Treuhandterritorium. Vor seiner Unabhängigkeit 1994 war auf Druck der USA ein Assoziierungsabkommen mit Washington geschlossen worden. Im Gegenzug hatte man Palau umfangreiche Investitionen zugesagt. Die Inselrepublik steht faktisch unter militärischer Kontrolle der USA, die offenbar alle Möglichkeiten hätten, ihre Ex-Gefangenen weiter zu überwachen.
Vier der uigurischen Gefangenen trafen laut US-Justizministerium inzwischen auf den Bermuda-Inseln ein, die zum Hoheitsgebiet der britischen Krone gehören. (SC/gri/ap/afp/rtr/dpa)