Neue Irak-Resolution im Sicherheitsrat
24. Mai 2004Plötzlich will man sie in Washington wieder zum Freund – die Vereinten Nationen. Sogar aus dem Pentagon, traditionell eigentlich die Hochburg ihrer Kritiker, sind versöhnliche Töne gegenüber der UN zu hören. Das Scheitern im Irak vor Augen, ist man wieder offen für Vorschläge: Lakhdar Brahimi, Kofi Annans Sondergesandter für den Irak, darf Konzepte für die Zeit nach der Machtübergabe an die Iraker erarbeiten. Gleichzeitig haben England und die USA einen Entwurf für eine UN-Resolution über diese Machtübergabe in den Sicherheitsrat eingebracht.
Keine späte Einsicht
In dem Resolutionsentwurf wird dem Irak die volle Souveränität zugesichert, zugleich aber die weitere Stationierung von ausländischen Truppen festgeschrieben - ohne ein Abzugsdatum festzulegen. Henner Fuertig vom Deutschen Orient-Institut in Hamburg hält diesen Passus für den entscheidenden Legitimationswunsch der Amerikaner: „Zurzeit sind die Truppen noch über die Resolution 1511 als Besatzungstruppen im Irak. Das ist völkerrechtlich gedeckt. Sobald aber die Regierungsgewalt an die Iraker zurückfällt, würde dieser Status erlöschen.“
Mit später Einsicht hat die neue Einbeziehung der UN durch Washington also wenig zu tun. Vielmehr, so die Experten, will man sie als Legitimationsinstrument benutzen: „Der Besatzungsstatus im Irak soll am 30. Juni juristisch beendet, real aber beibehalten werden“, meint Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg. „Die USA wollen die Macht nicht aus der Hand geben, die Verantwortung für das Scheitern aber den UN aufhalsen.“
Um Legitimation geht es also. Und um das Abwälzen politischer Verantwortung. Kein Wunder – denn mehr können die USA hier kaum erwarten: „Natürlich wären sie heilfroh, wenn andere Staaten politischen und militärischen Beistand leisten würden. So optimistisch, wirklich daran zu glauben sind sie aber nicht.“ Trotzdem ruft der Entwurf die Mitgliedsstaaten auf, Truppen für den Schutz von UN-Personal bereitzustellen.
Aufsehen hatte ein Bericht in der britischen Zeitung „The Observer“ erregt, nach dem die Machtübergabe an die Bedingung geknüpft werde, die wegen Misshandlung von Häftlingen beschuldigten Soldaten auch weiterhin vor Strafverfolgung im Irak zu schützen. Sie sollten ausschließlich dem Gesetz ihrer Heimatländer unterstehen. Eine Sprecherin des britischen Außenministeriums sagte, das sei Sache von Verhandlungen zwischen der Koalition und der Übergangsregierung.
Absurde Pläne
Aus dem Feldzug im Irak ist für die USA ein Rückzugsgefecht geworden. Bedroht vom völligen Scheitern soll dennoch am 30. Juni die Macht an eine irakische Übergangsregierung übergeben werden. US-Zivilverwalter Paul Bremer wäre damit entmachtet – theoretisch. Laut der Übergangsverfassung müsste diese neue, irakische Regierung dann spätestens im Januar 2005 Wahlen abhalten.
So weit, so gut – doch die amerikanische Regierung hat ihre eigenen Pläne, sagt Jochen Hippler: Die Kontrolle über die US-Truppen solle bei den USA bleiben. „Das Absurdeste ist jedoch: Rumsfeld, Bush und Bremer haben angekündigt, die Übergangsregierung dürfe Gesetze, die von Bremers Verwaltung erlassen wurden, nicht verändern. Neue Gesetze darf sie auch nicht erlassen. Wir hätten also mindestens sechs Monate – bis zu den Wahlen - eine Situation, in der theoretisch niemand mehr durch Gesetze regieren darf." Dass die Mitglieder des Sicherheitsrates den USA einen Blankoscheck ausstellen würden, der eine solche Regelung möglich macht, hält er jedoch für unwahrscheinlich.