Neue Chance für ein vereinigtes Zypern?
20. Februar 2005Das Ziel der Nordzyprioten bleibt die Wiedervereinigung der Insel und der Beitritt zur EU. Der wirtschaftlich ausgehungerte Norden der Mittelmeerinsel ist bislang völkerrechtlich nur von der Türkei anerkannt und unterhält auch nur zum türkischen Mutterland wirtschaftliche Beziehungen. Dass eine Vereinigung nach dem "Nein" der griechischen Zyprioten beim Referendum im vergangenen April in weite Ferne gerückt ist, schreckt die Nordzyprer nicht, weiß Professor Heinz Kramer, Zypernexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: "Das ändert aber nichts daran, dass die Mehrheit der türkischen Zyprioten wohl nach wie vor davon überzeugt ist, dass ohne eine Lösung des Zypernproblems ihre eigene Situation auf längere Sicht noch schlechter wäre." Die Alternative - also die Nicht-Lösung des Zypernproblems - hieße seiner Meinung nach nämlich, eine noch stärkere faktische oder sogar rechtliche Vereinigung mit dem türkischen Mutterland, woran aber ganz offensichtlich ein großer Teil der Bevölkerung in Nordzypern nicht interessiert sei.
Bereit für Kompromisse
Auf Zeit setzen und Signale der Kooperation zeigen, ist der Kurs des reformorientierten Mehmet Ali Talat. Seiner Republikanisch-Türkischen Partei (CTP) werden für die Parlamentswahlen in Nordzypern am Sonntag (20.2.) mit einem guten Drittel der Stimmen die besten Chancen eingeräumt. Doch auch die oppositionelle Nationale Einheitspartei (UBP) unter Dervis Eroglu müsse einlenken, meint Niyazi Kizilyürek, Politologe im Fachbereich Türkeistudien an der Universität von Nicosia. Er hat die Entwicklungen auf der Insel seit Jahrzehnten beobachtet: "Die türkische Regierung engagiert sich jetzt natürlich für eine Lösung. Traditionell richten sich die Rechtskonservativen in Nordzypern nach der Türkei. Es ist für sie schwierig, einer Politik zu folgen, die ganz anders ist als die offizielle türkische."
Beide Experten schätzen, dass es am kommenden Sonntag zu einem ähnlich knappen Ergebnis kommt wie schon bei den Wahlen im Dezember 2003. Die damalige Pattsituation überwand Talat durch eine Koalition mit der nationalistischen Partei (DP) von Serdar Denktasch, dem Sohn des langjährigen Führers der türkischen Zyprioten, Rauf Denktasch. Doch die hauchdünne Mehrheit wurde Talat zum Verhängnis: Nach dem verlorenen Referendum sprangen drei Abgeordnete ab, Talat verlor seine Mehrheit im Parlament und trat zurück.
Internationale Partner gefragt
Trotzdem setzt er auch diesmal auf die Koalition mit der nationalistischen DP, die nach Umfragen derzeit um die 15 Prozent der Stimmen gewinnen wird. Damit, schätzt Professor Kizilyürek, könnte die Koalitionsmehrheit diesmal etwas stärker ausfallen. Auch wenn die Wiedervereinigung nicht in der Hand der Reformer liegt - ihr Wahlsieg könnte ein Zeichen für die internationale Gemeinschaft sein, sich wieder stärker in der Zypern-Frage zu engagieren, glaubt Heinz Kramer: "Die EU ist in der Zypernfrage, ob sie es nun will oder nicht, ein Komplize der griechisch-zypriotischen Seite aufgrund der Mitgliedschaft." Die EU werde nicht in der Lage sein, ein politisches Konzept zu entwickeln oder gar durchzusetzen, das nicht die Zustimmung der griechischen Zyprer findet. "Die Frage ist, ob man auf der Ebene der Vereinten Nationen wieder Bewegung in das Zypernspiel bringen kann. Es kann sein, dass so ein Wahlergebnis die Amerikaner bestätigen könnte, ihre vorsichtige Politik der Lockerung der Isolierung etwas zu intensivieren", meint Kramer. Dann könnte das auch wieder einen Effekt auf die Regierung Papadopoulos oder auf die Öffentlichkeit im Süden der Insel haben, die im Augenblick vorherrschende strikte Verweigerungshaltung zu lockern. "Und dann könnte wieder Bewegung reinkommen", sagt Kramer.
Der Ausgang der Parlamentswahl dürfte auch die folgenden Präsidentschaftswahlen im April beeinflussen, glauben beide Zypernexperten, wenn sich sowohl der Reformer Talat als auch der Konservative Eroglu wohl zur Wahl stellen werden. Präsident Rauf Denktasch jedenfalls, der Hardliner gegen die Vereinigung, will nicht mehr antreten.