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Politik

Nervenkrieg um die Ukraine spitzt sich zu

21. Februar 2022

Die Separatisten in der Ostukraine rufen Russland auf, ihre Gebiete als unabhängige Provinzen anzuerkennen. Präsident Wladimir Putin erklärt, man müsse erwägen, ob die Regionen anerkannt werden sollten.

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Konflikt: Russland I Ukraine I Belarus I Präsident Putin
Er will die Bitte der Separatistenführer prüfen: Russlands Präsident Wladimir PutinBild: Mikhail Klimentyev/SNA/imago images

Die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine haben einen Hilferuf an den russischen Staatschef Wladimir Putin gerichtet. "Ich bitte Sie, die Souveränität und Unabhängigkeit der Volksrepublik Luhansk anzuerkennen", sagte Rebellenchef Leonid Pasetschnik in einer Videobotschaft, die das russischen Fernsehen ausstrahlte.

Der Separatistenführer in der selbsternannten "Volksrepublik" Donezk, Denis Puschilin, schloss sich der Forderung an. In Donezk forderte er den Kremlchef zudem auf, mit seiner "Volksrepublik" einen Vertrag über Freundschaft und militärischen Beistand abzuschließen. Damit könnte Russland etwa wie in den von Georgien abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien Tausende Soldaten dort stationieren. Nach einem Krieg gegen Georgien hatte Russland die Regionen 2008 als unabhängige Staaten anerkannt.

Ostukraine Donezk Region DPR Chef Denis Puschilin
Der Separatistenführer in Donezk, Denis Puschilin, appelliert an PutinBild: DPR/dpa/TASS/picture alliance

Putin will Ersuchen prüfen

Putin kündigte an, er werde die Forderungen nach Anerkennung der "Volksrepubliken" prüfen. Zugleich bezeichnete er die zunehmenden Spannungen in der Ukraine-Krise als "ernste, sehr große Bedrohung" für sein Land. Die Ukraine werde als "Instrument der Konfrontation" gegen Moskau genutzt, sagte bei einem Treffen des nationalen Sicherheitsrats in Moskau. Putin versicherte, dass Russlands Priorität "nicht Konfrontation, sondern Sicherheit" sei.

Bei dem Ratstreffen betonte Putin, er sehe keine Chancen mehr für eine Umsetzung der Minsker Abkommen, durch die die Ostukraine befriedet werden sollen. In den von Deutschland und Frankreich 2014 und 2015 vermittelten und gemeinsam mit der Ukraine und Russland vereinbarten Minsker Abkommen hatten sich die Konfliktparteien zu Schritten verpflichtet, um eine Friedenslösung für die Ostukraine zu erreichen.

Bereits in der Vorwoche hatte das russische Parlament eine Resolution an Putin verabschiedet mit der Bitte um Anerkennung der selbst ernannten "Volksrepubliken". Putin hatte eine Entscheidung offengelassen. Mit einer offiziellen Anerkennung der Unabhängigkeit würde der Präsident nach Ansicht von Beobachtern den Weg ebnen für einen militärischen Einmarsch in die Ost-Ukraine.

Kanzler Scholz warnt

Unterdessen warnte Bundeskanzler Olaf Scholz den russischen Präsidenten Wladimir vor einer Anerkennung der Unabhängigkeit der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk. In einem Telefongespräch mit Putin habe Scholz derartige Pläne verurteilt, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Ein solcher Schritt wäre demnach "ein einseitiger Bruch" der Minsker Abkommen zur friedlichen Beilegung des Konflikts in der Ostukraine. Der Kanzler habe Putin zudem "zur sofortigen Deeskalation und zum Rückzug" der Truppen von der Grenze zur Ukraine aufgefordert. Scholz unterstrich demnach, "dass es nun insbesondere im Osten der Ukraine gelte, den Waffenstillstand einzuhalten und Zeichen der Entspannung zu setzen". Russland stehe hier "in einer besonderen Verantwortung".

In der Ostukraine kämpfen pro-russische Milizen seit 2014 gegen die ukrainische Armee. Die Gewalt in der Region hatte in den vergangenen Tagen zugenommen und die Furcht vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine weiter genährt. Die Separatisten in den selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk hatten am Freitag die Zivilisten in den von ihnen kontrollierten Gebieten aufgerufen, nach Russland auszureisen. Am Samstagmorgen ordneten sie dann eine "Generalmobilmachung" an.

Tödliche Grenzverletzung?

An diesem Montag verschärften sich die anhaltenden Spannungen erneut. Die russische Armee tötete nach eigenen Angaben fünf aus der Ukraine kommende "Saboteure" auf russischem Boden. Bei dem Vorfall in der südrussischen Grenzregion Rostow hätten zudem zwei ukrainische Militärfahrzeuge versucht, die Grenze zu überqueren. Die ukrainische Seite dementierte die russischen Angaben: "Kein einziger unserer Soldaten hat die Grenze zur Russischen Föderation überquert, und kein einziger ist heute getötet worden", sagte Anton Geraschtschenko vom ukrainischen Innenministerium.

Zuvor hatten russische Nachrichtenagenturen bereits gemeldet, dass von der Ukraine aus ein russischer Grenzposten beschossen worden sei. Auch dies wurde von der ukrainischen Armee sofort dementiert. "Wir können sie nicht daran hindern, Falschnachrichten zu produzieren - aber wir betonen immer, dass wir nicht auf zivile Infrastruktur schießen oder auf Gebiet in der Region Rostow oder was auch immer", sagte der ukrainische Militärsprecher Pawlo Kowaltschuk.

Vertreter des Westens werfen Moskau seit Tagen vor, nach einem Vorwand für einen Angriff auf die Ukraine zu suchen. Die Situation vor Ort ist enorm angespannt, Russland hat nach westlichen Angabenrund 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren lassen. In hektischen internationalen Bemühungen wird versucht, einen russischen Einmarsch in der Ukraine zu verhindern.

Aktienkurse sacken ab

Die Spannungen zwischen dem Westen und Russland in der Ukraine-Krise haben zu einem weiteren Kursrutsch an der Börse in Moskau geführt. Am Montag sank der wichtige Aktienindex RTS der größten börsennotierten Unternehmen um mehr als zehn Prozent. Bereits vor einer Woche waren die Kurse stark gefallen. Auch die russische Währung, der Rubel, gab bereits deutlich nach.

kle/uh (afp, dpa, rtr)