Nepal vor Neuanfang
10. April 2008„Es ist ein Meilenstein in der nepalesischen Geschichte, weil wir unser Land verändern werden“, sagt ein nepalischer Wähler. Optimismus und ein gehöriger Schuss Skepsis kennzeichnen die Stimmung vor den Wahllokalen in Kathmandu. Eine Frau:„Ich weiß nicht, welcher Politiker etwas taugt. Bisher hat noch keiner von denen etwas für das Land getan.“
Können die gleichen Parteien, die das Land mit ihren Streitereien in den Neunzigerjahren gelähmt haben, jetzt wirklich einen friedlichen Neubeginn schaffen? Die Maoisten hatten sogar einen zehnjährigen Guerillakrieg begonnen.
Im Moment ist der Optimismus stärker. Der Niederländer Jan Mulder leitet die EU-Beobachtermission bei den Wahlen. Er ist früh aufgestanden an diesem Donnerstag, aber andere waren schon vorher da… „Um halb sieben kam ich zu einem Wahllokal. Und da konnte ich schon konstatieren, dass – wurde mir erzählt – um fünf Uhr Leute schon da waren, um zu wählen.“
Wahl mit Schwierigkeiten
Dass die mehrfach verschobene Wahl überhaupt stattgefunden hat, ist der größte Erfolg, meint der renommierte politische Kommentator Kanak Mani Dixit: „Wir hatten befürchtet, dass den Wahlen entweder Gefahr durch die maoistischen Aktivisten drohen könnte, die zum ersten Mal an Wahlen teilnehmen, nervös sind und in Panik geraten könnten. Oder sie hätten von ultra-konservativen Royalisten sabotiert werden können. Und zum Dritten schien die Gefahr von militanten Gruppen aus der Madhes-Ebene an der indischen Grenze zu kommen.“
All das ist nun nicht eingetreten – wobei EU-Beobachter Mulder darauf hinweist, dass es Berichte gibt, wonach in einigen Wahlkreisen noch einmal gewählt werden müsse, weil es dort Gewalt gab.
Wenn sich die Gewalt insgesamt doch im Rahmen hielt, ist das neben den Hunderten internationalen vor allem den Tausenden nepalischen Wahlbeobachtern zu verdanken.
Im gebirgigen Nepal spielt Radio noch eine wichtige Rolle. Beim Sender Radio Sagarmatha läuft die Wahlsondersendung; der verantwortliche Redakteur Sanjib Adhikari ist stolz auf das dichte Netz der Informanten, auf das er zurückgreifen kann: „Für heute haben wir, denke ich, mehr als 4000 Leute mobilisiert. Wir informieren in Kürze über alle Distrikte.“
Kompliziertes Wahlsystem
Die Wahlergebnisse sind nur schwer vorherzusagen, das offizielle Resultat dürfte zwei Wochen auf sich warten lassen. Denn das Wahlsystem ist durch ein Proporz-Verfahren für die verschiedenen Ethnien kompliziert.
Besonders über das Abschneiden der Maoisten und ihre mögliche Reaktion darauf ist viel spekuliert worden. Allerdings dürfte es, gerade angesichts der zahlreichen Wahlbeobachter, schwer für sie sein, aus Protest gegen ein angeblich manipuliertes Ergebnis wieder zu den Waffen zu greifen.
Dass sich der König dem erwarteten Beschluss der verfassungsgebenden Versammlung zur Abschaffung der Monarchie widersetzt, hält der Journalist Kanak Mani Dixit für unmöglich. „Er müsste ein größerer Idiot sein als wir das geglaubt hatten, wenn er versuchen würde, sich gegen die Entscheidung des Volkes zu stellen. Es ist besser, eine Monarchie durch Wahlen abzuschaffen als durch eine Revolution.“ Denn das scheint bisher die einzige Klarheit zu sein: Die Monarchie ist am Ende.