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Neonazi-Aufmarsch legt Dortmund lahm

Christina Ruta, z.Zt. Dortmund4. Juni 2016

Begleitet von einem Großaufgebot der Polizei sind rund tausend Neonazis aus ganz Deutschland durch die Stadt marschiert. Linke und engagierte Bürger hatten zu Gegendemos aufgerufen. Aus Dortmund berichtet Christina Ruta.

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Polizeiaufgebot gegen Neonazis in Dortmund (Foto: Reuters/W.Rattay)
Bild: Reuters/W.Rattay

Dortmund gleicht einem Hochsicherheitstrakt: Autobahnabfahrten hat die Polizei gesperrt, gewisse Bahnstationen werden nicht angefahren. Mehrere Hundertschaften kontrollieren das Gebiet um den S-Bahnhof Dorstfeld, dem Sammelpunkt der Rechtsextremen.

Etwa tausend Neonazis aus der ganzen Bundesrepublik sind angereist. Es ist der achte sogenannte “Tag der deutschen Zukunft“, aber das erste Mal, dass er in Dortmund stattfindet. Die Nazi-Szene in der westdeutschen Ruhrgebietsstadt gilt als groß und gut organisiert. Die Partei "Die Rechte" hatte die Demo hier angemeldet. Der Aufmarsch zählt zu den größten Aktionen der Neonazi-Szene in Deutschland.

Kritik an Asylpolitik

Eigentlich sollte es schon um die Mittagszeit losgehen sollen - mit einer Auftaktkundgebung auf dem Platz vor der S-Bahnstation. Aber die Aktion verzögert sich. Noch seien nicht alle rechten Demonstranten eingetroffen, heißt es. Man wolle auf sie warten. Ein paar hundert Meter weiter - bei einer der Gegendemonstrationen - wird berichtet, dass linke Aktivisten Gleise blockieren und die Rechten nicht durchkommen.

Zunächst geht es los mit der Kundgebung. Sätze wie “Hier gehört nur hin, wer unser Blut teilt“ fallen. Außerdem ist dem Redner auf der Bühne wichtig, dass in Deutschland zukünftig vor allem deutsche Kinder geboren werden. Der Tonfall ist aggressiv - genau wie die Parolen auf den T-Shirts der Demonstranten. Mit der Presse will hier kaum jemand reden. Einer der Mitorganisatoren erklärt sich für ein Gespräch mit mir bereit, will aber namentlich nicht genannt werden.

Wogegen die Menschen hier genau demonstrieren, will ich von dem Mann wissen, der schon für “Die Rechte“ im Stadtrat saß. Gegen “Überfremdung“ sagt er und gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik in Berlin. “Die vielen Flüchtlinge in Deutschland sind kein Naturgesetz, dahinter stehen politische Entscheidungen, die wir kritisieren.“ Er fordert eine zügige Schließung der Grenzen. Temporäres Asyl für syrische Frauen und Kinder seien für ihn in Ordnung. “Wehrfähige Männer sollen aber lieber in Syrien bleiben und dort für ihr Heimatland kämpfen“, findet er. Und: “Wer hierhin kommt ohne Papiere, aber mit Smartphone hat kein Anrecht auf Asyl." Die Anschläge auf Flüchtlingsheime betrachtet er als “logische Konsequenz“ der Flüchtlingspolitik.

Neonazis in Dortmund (Foto: DW/N.Martin)
Etwa tausend Neonazis aus der ganzen Bundesrepublik sind angereistBild: DW/N.Martin

Route lange geheim gehalten

Schließlich beginnt der Zug. Die Menge skandiert Sprüche wie “Frei, sozial und national“ und “Wir marschieren mit nationalem Widerstand“. Die Route war von der Polizei bis kurz vor dem Aufmarsch geheim gehalten worden. Fest stand aber: In der Dortmunder Nordstadt durften die Nazis nicht marschieren. Man wolle den dort lebenden Migranten“eine Konfrontation mit ausländerfeindlichem Hass ersparen“, erklärte Polizeipräsident Gregor Lange gegenüber Medienvertretern.

Große Gegendemo

Ein riesiges Aufgebot an Polizeikräften begleitet den Marsch. Rund 30 Hundertschaften sind aus verschiedenen Bundesländern angereist, um gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindert. Gewerkschaften, Kirchen, Schulen – diverse Akteure hatten im Vorfeld zu Gegendemonstrationen aufgerufen. Und tatsächlich haben sich zahlreiche Menschen an verschiedenen Ecken der Stadt versammelt, um den Nazis die Stirn zu bieten.

Eine der Gegendemonstrationen mit rund 2000 Teilnehmern finden nur wenige hundert Meter von dem Sammelpunkt der Rechten statt. Mit dabei ist Sarah Jasinszczek. Sie arbeitet am Schauspielhaus Dortmund. Von “Überfremdung“ merkt sie in Dortmund nichts. Zusammen mit Schülern von 14 Schulen und weiteren engagierten Menschen hat sie mehr als hundert aufblasbare Würfel gebaut, die symbolisch als Barrikade gegen die Nazis dienen sollen. Die obere Fläche der Würfel spiegel sich. “Wir wollen damit den Nazis ein Spiegel vor Augen halten“, erklärt die Theaterpädagogin. “Wir möchte in Frieden und Demokratie in unserer Stadt leben und uns nicht von den Nazis einschüchtern lassen.“

Eine weitere Demonstrantin gibt ihr recht. Sie wirbt dafür, auf Migranten zuzugehen: “Wir sind für ein offenes Dortmund und jeder ist nur solange fremd, wie man ihn nicht kennt.“

Demonstration in Dortmund BlockDo Links gegen Rechts (Foto: DW/N.Martin)
Eine Gegendemonstration findet nur wenige hundert Meter von dem Sammelpunkt der Rechten stattBild: DW/N.Martin

Bodo Weirauch von der Evangelischen Kirche engagiert sich schon lange gegen Rechts. Zur Gegendemo hat er auch seine Tochter mitgebracht. “Wir haben gute Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht, die mittlerweile unsere Freunde sind“, sagt er. Er meint, auch die alteingesessenen Dortmunder könnten viel durch Flüchtlinge gewinnen, wenn man sie richtig integriere. “Nazis haben hier nichts zu suchen. Wir möchten, dass Dortmund ein besseres Bild abgibt als das hier heute."

Keine Straßenschlachten

Bis zum Abend bleibt es relativ ruhig. Es wird von einem Pfeffersprayeinsatz der Polizei gegen linke Demonstranten berichtet. Die Demonstranten sagen, dass die Polizei das Spray ohne Vorwarnung gegen sie eingesetzt hätte. Die Beamten reden davon, dass sie von Linksautonomen angegriffen worden seien. Flaschen und Luftwürfel sollen geflogen, drei Polizisten verletzt worden sein. Auch von einem Polizeieingriff gegen Journalisten wird berichtet.