Nein zum großen Fest
11. November 2013Die bayerische Landeshauptstadt München wird sich nicht um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2022 bewerben. Eine Mehrheit der Bürger in München, den Landkreisen Traunstein und Berchtesgaden sowie in der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen, wo ebenfalls Wettkämpfe stattgefunden hätten, hat sich gegen ein Olympia-Engagement ausgesprochen.
Bis zuletzt war offen geblieben, wie sich die Bürger entscheiden würden. Obwohl ein knappes Ergebnis erwartet wurde und viele Bürger leidenschaftlich für eine Entscheidung in ihrem Sinne geworben hatten, blieb die Wahlbeteiligung gering: Nicht einmal jeder Dritte der 1,3 Millionen Wahlberechtigten gab seine Stimme ab.
"Das hat uns sehr überrascht."
Das Risiko einer Wahlschlappe für die Olympia-Befürworter war von Anfang an hoch. Denn in allen vier Wahlkreisen musste sich eine Mehrheit finden: Wenn nur ein Bezirk mit "Nein" gestimmt hätte, wäre die Olympia-Bewerbung gescheitert. Bereits bei den ersten Hochrechnungen zeichnete sich ein "Nein" ab - in allen Wahlbezirken. Rund eine Stunde nach Schließung der Wahllokale gestand Münchens Oberbürgermeister Christian Ude sein Scheitern ein: "Das ist eine klare Niederlage. Damit ist die Bewerbung gescheitert."
Die Ablehnung im Hauptbewerbungsort München war dabei längst nicht so deutlich wie in den anderen Gemeinden: In Traunstein mit dem Eissportzentrum Inzell etwa sprachen sich rund 70 Prozent der Bürger gegen Olympia aus. In keinem der vier Wahlbezirke hatten sich die Befürworter der Olympia-Bewerbung durchsetzen können.
Michael Vesper, der Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), kommentierte das Abstimmungsergebnis ernüchtert: "Wir sind sehr enttäuscht. Das hat uns sehr überrascht." Der designierte Präsident des DOSB, Alfons Hörmann, befürchtet, die ablehnende Haltung der Bürger werde die Basisarbeit im deutschen Sport "tendenziell" schwächen. Jetzt müsse der DOSB darüber nachdenken, "wie wir diese Schlappe wettmachen und den deutschen Sport in eine erfolgreiche Zukunft führen können".
Die Ängste wurden nicht ausgeräumt
Bei den Gegnern hatte die Angst vor unkalkulierbaren Kosten und die Skepsis gegenüber dem Veranstalter, dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) überwogen. Sie befürchteten, vom IOC in Knebelverträge gezwungen zu werden und dann die gleichen Erfahrungen zu machen wie andere Olympia-Ausrichter zuvor: Das IOC macht prächtige Geschäfte mit der zweiwöchigen Feier, der Ausrichter, München und seine Nachbargemeinden, würden dagegen auf den Kosten sitzen bleiben.
Die Olympia-Gegner hatten vor allem ihre Angst vor einem weitreichenden Umbau der Landschaft ins Feld geführt. Am Samstag hatte auch der Deutsche Alpenverein (DAV) eine Olympia-Bewerbung mit großer Mehrheit abgelehnt. Auch der einflussreiche Verein befürchtete irreparable Schäden an der Natur.
Außerdem erwarteten die Bewohner von Traunstein, Berchtesgaden und Garmisch-Partenkirchen, dem Ansturm vieler Tausender Olympia-Besucher nicht gewachsen zu sein. Schon dem Verkehr, den der "normale" Wintersportbetrieb verursacht, ist ihre Infrastruktur oft nicht gewachsen.
Nach 1936 und 1972 gibt es kein 2022
Die Stadt München war 1972 bereits Ausrichterin der Olympischen Sommerspiele. Oberbürgermeister Ude hatte damit geworben, dass Winterspiele fünfzig Jahre darauf einen großen Imagegewinn für München bedeutet hätten. In Garmisch-Partenkirchen hatten vor 77 Jahren ebenfalls schon Olympische Spiele stattgefunden: Die Winterspiele von 1936. Damals fanden Winter- und Sommerspiele noch im selben Jahr statt. Die damaligen Sommerspiele hatte Berlin ausgerichtet.
Mit der Ablehnung sind die Süddeutschen allerdings nicht allein. Auch im schweizerischen Graubünden, in Österreich und in Frankreich war es in den vergangenen Jahren bereits zu solchen Abstimmungsergebnissen gekommen.
Das Misstrauen wächst
Die Ablehnung ist auch ein Misstrauensvotum an die Adresse des IOC. Ebenso wie der Weltfußballverband Fifa kann das IOC bei sportlichen Großveranstaltungen mit schwarzen Zahlen rechnen. Die Ausrichter bleiben in der Regel auf hohen Kosten sitzen.
Das Misstrauen gegen Fifa und IOC wächst in vielen demokratischen Staaten des Westens. Sportliche Großveranstaltungen werden daher zunehmend in autokratisch geführten Gesellschaften, vor allem in Asien, veranstaltet. Das beste Beispiel dafür ist die Fifa: Die WM-Turniere 2018 und 2022 finden in Russland und in Katar statt – dort gibt es keinen organisierten Bürgerwillen, wie er jetzt die Münchener Bewerbung gestoppt hat. Die nächsten Olympischen Winterspiele finden in einigen Wochen übrigens in Sotschi statt, ein Sommersportort am Schwarzen Meer. Ausrichter im Auftrag des IOC ist das von Vladimir Putin regierte Russland.