Nawalny-Proteste: "Russland ohne Putin!"
28. Januar 2018"Bürgerinnen und Bürger - bitte machen Sie den Weg frei. Sie behindern die Passanten." Die Stimme des Polizisten ertönt immer wieder aus dem Lautsprecherwagen am Puschkin-Platz in Moskaus Innenstadt. Doch rund 2000 meist junge Teilnehmer der nicht genehmigten Demonstration ignorieren die Sicherheitskräfte. Sie skandieren stattdessen Losungen wie "Russland wird frei sein" oder "Russland ohne Putin".
Einer von ihnen nennt sich Wassilij - seinen richtigen Namen will er aus Furcht vor Repressalien nicht nennen. "Seit 18 Jahren immer der gleiche Präsident - das reicht", schimpft er. Eine Frau gleich neben ihm bekräftigt: "Wir wollen eine Alternative zu den jetzigen Machthabern und wir fordern Meinungsfreiheit." Entrüstet ist auch ein junger Mann, eingepackt in einen schwarzen wattierten Mantel: "Die jetzigen Präsidentschaftswahlen sind eine Art Theater." Ein starker Präsident würde freie Wahlen nicht fürchten, sagt eine 14-Jährige, die mit ihrer Freundin zu der Demonstration gekommen ist: "Ich will, dass es in unserem Land ehrlich und rechtmäßig zugeht." Der Kreml verbiete den Menschen, für den Kandidaten zu stimmen, für den viele Menschen stimmen wollten.
Damit meint sie Alexej Nawalny, der eigentlich die Demonstration anführen wollte. Doch kurz nachdem er sein Haus in Moskau verlassen hat, nahm ihn die Polizei in einer Blitzaktion auf der Straße fest. Als die Demonstranten auf dem Puschkin-Platz dies erfahren, werden sie noch wütender, beschimpfen Präsident Putin. Einer der vielen ist ein Mann, der Putin einen Kriminellen nennt, der Russland mit seinen Freunden vom Geheimdienst regiere. Die Menschen um ihn herum nicken anerkennend. Bis jemand lauft ruft: "Zabastovka", was so viel bedeutet wie "Streik", "Protest", "Wahlboykott".
Nawalny wurde nach wenigen Stunden wieder freigelassen. Anklage sei nicht erhoben worden, sagte seine Anwältin. Nawalny müsse sich aber zu einem späteren Zeitpunkt vor Gericht verantworten.
Landesweite Proteste
Die Demonstranten setzen sich erneut in Bewegung. Die Polizei hält sich zurück. Dutzende von Fernsehteams begleiten den Protestzug.
Insgesamt kommt es am Sonntag in über hundert russischen Städten zu Protesten aus Solidarität mit Nawalny. Der 41-Jährige hat zum Boykott der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen aufgerufen, nachdem ihm die Behörden aus fadenscheinigen Gründen untersagten, bei den Wahlen anzutreten.
Während in den meisten Orten die Behörden Demonstrationen erlaubt haben, hat die Polizei unter anderem in Sankt Petersburg und Moskau die öffentlichen Proteste verboten. Allerdings lassen sich die Demonstranten von dreierlei Verfügungen nicht einschüchtern. Bis zum frühen Abend seien - so die Polizei - insgesamt 185 Demonstranten in Russland festgenommen worden, einschließlich Nawalny selbst. Die Zahl dürfte im Lauf des Abends und der Nacht noch weiter steigen.