Nationalpark Bialowieza: Sorge um Europas letzten Urwald
Kleiner Käfer mit großer Wirkung: Polnische Politiker wollen den Borkenkäfer ausrotten und lassen massenhaft Bäume in Europas jahrtausendealtem Urwald fällen. Doch Umweltschützer vermuten wirtschaftliche Interessen.
Unter den Wipfeln ist viel los
Er gehört sowohl zu Polen als auch zu Weißrussland: der 1500 Quadratkilometer große Flachlandmischwald Bialowieza, der die Bezeichnung Urwald verdient. Jahrhundertealte Bäume stehen dort. Unter ihren 50 Meter hohen Kronen wimmelt es vor Leben. Ob der geschützte Europäische Bison, Käfer, Luchse oder Pilze: Mehr als 20.000 Tierarten leben dort - darunter 250 Vogel- und 62 Säugetierarten.
Tote Bäume - Neues Leben
Das Holz absterbender Bäume bietet der Vielfalt von Pilzen und Insekten Nahrung. Strenge Auflagen regeln, dass herumliegendes Holz nur in geringen Mengen aufgesammelt werden darf, damit Flora und Fauna gut gedeihen können. Und eigentlich dürfen Bäume nicht gerodet werden - zumindest nicht in dem Teil, der zum UNESCO-Weltnaturerbe gehört.
Fichtenborgenkäfer sorgt für Ärger
Während der weißrussische Teil des Urwaldes komplett unter Naturschutz steht, ist auf polnischer Seite nur ein Teil Schutzgebiet. Erste Rodungen haben allerdings schon stattgefunden. Umweltminister Jan Szyszko begründete die Entscheidung offiziell damit, dass so die Verbreitung eines schädlichen Borkenkäfers gestoppt werden solle. Das Schutzgebiet sei von den Rodungen ausgenommen.
Kettensäge oder abwarten?
Umweltaktivisten argumentieren, dass sich das Borkenkäfer-Problem in den nächsten Jahren von selbst lösen werde, denn durch natürliche Feinde werde sich die Anzahl auf ein gesundes Maß verringern. Sie seien außerdem ein elementarer Bestandteil der Waldgesundheit. Seit 2013 wurden drei Prozent der gesamten Baummenge durch das Insekt befallen.
Wertvoller Rohstoff Holz
Während die polnische Regierung von Maßnahmen zum "Schutz" spricht, wittern Aktivisten ein lukratives Geschäft der Regierung mit dem wertvollen Holz. Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen 180.000 Kubikmeter Holz geschlagen werden - deutlich mehr als die bisher geplanten 40.000 Kubikmeter. Sieben Umweltschutzorganisationen haben bei der EU-Kommission daher Beschwerde eingereicht.
UNESCO-Weltnaturerbe steht auf dem Spiel
Es sei ein Fehler gewesen, den Wald als Weltnaturerbe auszeichnen zu lassen, denn das ziehe eine internationale Aufsicht nach sich, sagte der polnische Umweltminister Anfang des Jahres. Von den 200 Quadratkilometern Wald auf polnischer Seite gehören 35 Prozent zum Schutzgebiet. Eine Delegation aus UN-Vertretern und Umweltforschern will sich nun vor Ort ein Bild von der Lage machen.
Jahrtausendealte unberührte Natur
Sie wollen klären, ob die Fällungen den Wald eher schützen oder ihm schaden. Beiderseits der Grenze gehört der 8000 Jahre alte Bialowieza-Urwald zum UNESCO-Weltnaturerbe.