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Nationalkonservative Revolution in Ungarn

20. Dezember 2011

Die rechtsgerichtete Regierung Ungarns erntet derzeit Kritik. Im In- und Ausland sieht man das restriktive Mediengesetz ebenso kritisch wie den Versuch, die Unabhängigkeit der ungarischen Notenbank einzuschränken.

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Portrait von Viktor Orban, Ungarns Regierungschef. (Foto:AP)
Ungarns Regierungschef Viktor OrbanBild: AP

Ungarns Ministerpräsident Victor Orban regiert mit einer Zweidrittelmehrheit. Er kann Gesetze und Verfassungsänderungen durchsetzen, ohne viel Rücksicht auf oppositionelle Meinungen oder Parteien nehmen zu müssen. Der Chefredakteur der deutschsprachigen Internet-Zeitung für Ungarn und Osteuropa "Pester Lloyd", Marco Schicker, bezeichnet das in einem DW-Interview als Versuch, mit den Mitteln einer demokratischen Mehrheit die Demokratie Schritt für Schritt abzubauen.

Neue Verfassung

Portrait von Marco Schicker (Foto:Schicker)
Marco Schicker, Chefredakteur von Pester Lloyd: "Demokratieabbau in Ungarn."Bild: Marco Schicker

Das im Westen heftig kritisierte Mediengesetz, von dem mehrere Abschnitte inzwischen vom ungarischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden sind, ist Teil einer neuen Verfassung, die nach Auffassung von Marco Schicker der Machtsicherung des Regierungschefs und der ihn tragenden konservativen Koalition dient. Er verkauft das dem Volk als "nationalkonservative Revolution", die mit den Fehlern der Vorgänger-Regierung radikal aufräume.

Die Analyse der Fehler in der Vergangenheit sei richtig, aber die Schlussfolgerungen führten Ungarn nicht in eine bessere Zukunft. Denn die neue Verfassung – so die Kritik von Schicker – macht aus Ungarn einen Untertanenstaat, der an das "finsterste 19. Jahrhundert" erinnert. So werde das Arbeitsrecht ausgehöhlt, die Rechte der Gewerkschaften beschnitten und das Mitspracherecht der Arbeitnehmer eingeschränkt. Regierungschef Victor Orban gestalte das Land mit diktatorischen Mitteln um, egal "ob die Realität das aushält."

Unabhängigkeit der Notenbank in Gefahr

Großdemonstration in Budapest gegen die Politik der Regierung Orban am 23.10.2011. (Foto:dapd)
Ende Oktober 2011 kam es zu einer Großdemonstration gegen die Politik der Regierung von Viktor OrbanBild: dapd

Ungarn befindet sich in einer schwierigen ökonomischen Umbruchphase, die durch den Beitritt zur Europäischen Union und den damit verbundenen Anpassungsprozess ausgelöst worden ist. Das Land ist dabei auf Hilfe von Seiten der EU und des IWF angewiesen. Beide Institutionen haben in der Vergangenheit schon einmal geholfen und zeigten sich jetzt nicht abgeneigt, Ungarn zu unterstützen. Eine Delegation war in der vergangenen Woche im Land, um die Voraussetzung für die Gewährung entsprechender Mittel zu prüfen. Zum gleichen Zeitpunkt verkündete die Regierung in Budapest, man werde die Unabhängigkeit der ungarischen Notenbank dadurch einschränken, indem man sie mit einer staatlichen Behörde für Finanzregulierung zusammenlegen werde.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Die EU-Delegation packte umgehend die Koffer und legte die Verhandlungen über Hilfszahlungen auf Eis. Der Wert der ungarischen Währung fiel sofort und die Sorgenfalten bei Zentralbankchef Andras Simor wurden größer. Er befürchtet eine "vollständige Übernahme der Macht in der Bank" durch die Regierung.

Rechte Wende

All das ist für Marco Schicker Teil einer rechten Wende, der die Demokratie zum Opfer fallen könnte. Ungarn sei ein Präzedenzfall, der offenbar von Teilen der europäischen Rechten mit Wohlwollen beobachtet werde. Vieles von dem, was die Regierung beschlossen hat, widerspreche europäischen Normen und Gesetzen. Das gelte für die uneingeschränkte Pressefreiheit, die in Ungarn ebenso zur Disposition stehe wie die Arbeitnehmerrechte oder die Freiheit der Gewerkschaften. Diese Rechte gelten in der Europäischen Union und alle ihre Mitglieder müssen sie in ihren Verfassungen aufgenommen haben.

Portrait von Marco Schicker (Foto:Schicker)
Marco Schicker: "EU-Austritt bringt nichts."Bild: Marco Schicker

Marco Schicker fordert angesichts derart massiver Verstöße gegen europäische Grundsätze, dass die EU gegenüber der ungarischen Regierung auf Einhaltung dieser Grundsätze besteht. Der Vermutung der linken Budapester Tageszeitung "Nepszava", Regierungschef Victor Orban habe die Absicht, "sich von der Union zu entfernen und sie am Ende zu verlassen" widerspricht Schmicker. Ein Austritt aus der EU würde dem Regierungschef "nichts bringen". Es wäre besser, die EU sanktioniere die ungarische Regierung bis sie wieder zur Räson komme.

Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Regina Brinkmann