Nationaler Trauertag der Palästinenser
31. März 2018Mindestens 15 tote Palästinenser und mehr als 1400 Verletzte - das ist nach jüngsten palästinensischen Angaben die Bilanz der am Freitag beginnenden Proteste anlässlich des "Tag des Bodens". Die israelische Armee war - wie angekündigt - mit aller Härte und scharfer Munition gegen die Demonstranten am Grenzzaun zum Gazastreifen vorgegangen, die für ein Rückkehrrecht kämpfen. Sie berufen sich auf die Flucht und Vertreibung ihrer Familien bei der Gründung Israels 1948. Israel lehnt eine Rückkehr ab. Auch am Samstag wurden nach palästinensischen Angaben 70 Menschen nach Schüssen verletzt.
Nach der Gewalt ist Betroffenheit spürbar. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas rief einen eintägigen nationalen Trauertag zu Ehren der von der israelischen Armee getöteten Palästinenser aus. Schulen, Universitäten und andere öffentliche Einrichtungen sollten demnach geschlossen bleiben. Die Vorgänge zeigten die Notwendigkeit, "unserem schutzlosen palästinensischen Volk Schutz zu gewähren", heißt es in einer Stellungnahme des palästinensischen Präsidenten.
Erdogan spricht von "Massaker"
Eine harsche Stellungnahme kam aus Ankara. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte die tödlichen Schüsse auf Palästinenser im Gazastreifen als "Massaker". Seine Regierung werde "israelischen Terror" immer und überall anprangern, sagte Erdogan vor Anhängern in Istanbul und sprach von einem "unmenschlichen Angriff". Erdogan fügte hinzu: "Wir werden unsere palästinensischen Brüder in ihren rechtmäßigen Anliegen bis zum Ende unterstützen."
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lobte die Soldaten seines Landes für ihren Einsatz zum Schutz der Staatsgrenzen. "Isreal handelt stark und mit Entschlossenheit, um seine Souveränität und die Sicherheit seiner Bürger zu schützen", erklärte er. Zuvor hatte Armeesprecher Ronen Manelis gesagt: "Was wir gestern gesehen haben, wir ein organisierter Terrorakt." Er warf der Führung der Palästinenser-Organisation Hamas vor, auf zynische Weise das Leben von Frauen und Kindern zu gefährden. Man könne keinesfalls von einer friedlichen Demonstration sprechen.
UN-Sicherheitsrat ohne gemeinsame Erklärung
Unterdessen setzten die Palästinenser ihre Protestaktionen am Samstag fort. 25 Menschen hätten Schussverletzungen an der Grenze zu Israel erlitten, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza mit. Israels Armee wollte die Aussagen überprüfen. Zuvor war in New York der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung auf Antrag Kuwaits zusammen. Diplomaten äußerten dabei die Sorge vor weiterer Gewalt. Eine gemeinsame Erklärung des wichtigsten UN-Gremiums kam nicht zustande.
UN-Generalssekretär Antonio Guterres verlangte Aufklärung darüber, wie Menschen bei den Palästinenserprotesten getötet beziehungsweise verletzt wurden, so ein Sprecher des Generalsekretärs. Guterres rufe zudem alle Verantwortlichen auf, auf Handlungen zu verzichten, die zu weitern Opfern führen könnten. Die Tragödie vom Freitag zeige die Dringlichkeit, mit der der Friedensprozess im Nahen Osten wiederbelebt werden müsse.
Eskalation möglich
Die Vereinten Nationen befürchten, dass sich die Lage im Gazastreifen in den kommenden Tagen noch verschlechtert. Israel müsse seine Verpflichtungen im Rahmen der Menschenrechte erfüllen, sagte der stellvertretende Chef für politische Angelegenheiten bei den UN, Taye-Brook Zerihoun. Tödliche Gewalt dürfe nur als letztes Mittel eingesetzt werden, sagte er vor dem Sicherheitsrat. Zivilisten, insbesondere Kinder, dürften nicht zum Ziel werden.
Nach palästinensischen Angaben waren am Freitag mehr als 20.000 Menschen zum "Marsch der Rückkehr" gekommen. Die Proteste, zu denen die radikal-islamische Hamas aufgerufen hatte, sollen bis zum 15. Mai dauern. Anlass sind die Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung Israels. Die Palästinenser begehen den 15. Mai als Nakba-Tag (Tag der Katastrophe), weil im ersten Nahostkrieg 1948 rund 700.000 Palästinenser flohen oder vertrieben wurden.
Deutschland ruft zur Besonnenheit auf - EU mahnt zu Zurückhaltung
Die deutsche Bundesregierung rief alle Beteiligten zu Besonnenheit auf. "Wir rufen die Beteiligten dringend dazu auf, alles zu unterlassen, was eine weitere Eskalation hervorrufen und erneut Menschen gefährden würde", teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes mit. Die Ausübung des Rechts auf Meinungsäußerung und friedlichen Protest dürfe nicht missbraucht werden, um die legitimen Sicherheitsinteressen Israels an der Grenze zu den palästinensischen Gebieten zu verletzen.
Unterdessen rief die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini beide Seiten zu einer Deeskalation auf und verlangte ihrerseits nach einer unabhängigen Untersuchung der jüngsten Gewalt an der Grenze zu Gaza. Insbesondere der Gebrauch scharfer Munition müsse Gegenstand unabhängiger und transparenter Ermittlungen werden, sagte Mogherini. Israel habe zwar das Recht, seine Grenzen zu schützen, der Einsatz von Gewalt müsse jedoch jederzeit angemessen sein.
Die EU-Politikerin drängte angesichts der Ereignisse auf die Wiederaufnahme der Friedensgespräche. Eine Zwei-Staaten-Lösung sei "der einzige Weg für Palästinenser und Israelis, Seite an Seite in Frieden und Sicherheit zu leben".Überdies forderte Mogherini ein Ende der israelischen Blockade des Küstengebiets. Gleichzeitig aber müssten legitime Sicherheitsbedenken Israels beachtet werden.
tön/uh/kle (dpa, afp, rtr, ape)