Nackbilder von Kindern: Grauzone soll schwarz werden
27. Februar 2014Bilder, Filme und Schriften über sexuelle Handlungen an oder vor Kindern sind in Deutschland strafbar. Auf Besitz und Verbreitung stehen bis zu fünf Jahre Haft. Wer aber Bilder von nackten Kindern besitzt oder kauft, ohne dass diese an sexuellen Handlungen beteiligt sind, hat gute Chancen, straffrei zu bleiben. Bei der Bewertung der Bilder als legal oder illegal kommt es darauf an, ob Bilder die Kinder in sexuellen oder aufreizenden Posen zeigen. Aber eine Definition davon, welche Posen das sind, gibt es nicht. Ein Graubereich also. Doch der Skandal um den sozialdemokratischen Politiker Sebastian Edathy bringt nun Bewegung in die Diskussion.
Der Politiker soll zwischen 2005 und 2010 Videos und Fotosets von einem kanadischen Unternehmen gekauft haben. Darin zu sehen: nackte Kinder und Jugendliche, die "toben und spielen, in natürlichen Posen sitzen und sich darstellen. Alles jedoch in Bezug zu den Genitalien", so die Staatsanwaltschaft Hannover. Im Februar durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Wohnung des Bundestagsabgeordneten, der sein Mandat daraufhin "aus gesundheitlichen Gründen" niederlegte.
Kinderschützer fodern schärfere Gesetze
Der Deutsche Kinderschutzbund fordert jetzt schärfere Gesetze, die auch den Verkauf von Kindernacktbildern unter Strafe stellen. Matthias Katsch von der Organisation "Eckiger Tisch" vertritt die Interessen ehemaliger Schüler, die an deutschen Jesuitenschulen Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind. Auch er hält ein Verbot von Fotos nackter Kindern für überfällig.
Denn diese Fotos seien keine harmlosen Bildchen, die in der Familie entstünden, sagt Katsch: "Das meiste Material wird im Rahmen von Kinderpornoaufnahmen produziert, um es zu verkaufen und in Umlauf zu bringen." Dieser Kindesmissbrauch müsse gestoppt werden. "Wir haben in Deutschland bisher zu sehr über die Rechte der Täter nachgedacht und dabei die Opfer vergessen."
EU-Richtlinie nicht umgesetzt
Der Vorwurf geht an das Justizministerium, das seit Dezember von dem SPD-Politiker Heiko Maas geleitet wird. Tatsächlich muss sich das Ministerium vorwerfen lassen, geschlafen zu haben. Denn bereits 2011 hatte die EU eine Richtlinie zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch verabschiedet, die auch Nacktbilder von Kindern verbieten würde. Deutschland hätte die Richtlinie eigentlich bis 2013 umsetzen müssen. Doch passiert ist bislang nichts.
Über die Gründe schweigt sich das Justizministerium aus. Doch jetzt kommt Bewegung in die Angelegenheit. Bis Ostern will Heiko Maas einen Gesetzesentwurf auf den Weg bringen, der auch den "gewerbsmäßigen Handel" mit Nacktbildern unter Strafe stellt. Der Kauf und Verkauf von entsprechendem Material wäre dann verboten. Einige Strafrechtler loben die Richtung, kritisieren aber die genaue Ausgestaltung des Gesetzes.
Uneinigkeit über das neues Gesetz
Denn die Folge wäre, dass Kunsthändler nicht mehr mit Gemälden und Skulpturen handeln dürften, die ja auch gelegentlich nackte Kinder oder Engel zeigen. Und was passiert eigentlich, wenn die Bilder nicht gewerbsmäßig verbreitet, also kostenlos weitergegeben werden? Hier würde das Gesetz zu kurz greifen. Zudem besteht die Gefahr, dass ein neues Gesetz Nacktheit und Aufnahmen davon zu sehr problematisiert.
Denn in Deutschland herrscht verglichen mit anderen Ländern im Allgemeinen ein unverkrampftes Verhältnis zur Nacktheit. Viele Familien verbringen ihre Ferien am Strand, wo unbekleidete Kinder nicht ungewöhnlich sind. Auch die sogenannte Freikörperkultur hat eine lange Tradition und viele Anhänger. Schnell entstehen hier Urlaubsfotos, auf denen nackte Kinder zu sehen sind. Solche Aufnahmen zu verbieten, würde viele Menschen kriminalisieren.
Opfervertreter wie Matthias Katsch von der Organisation "Eckiger Tisch" plädieren inzwischen für eine andere Herangehensweise: "Man könnte sich über das Recht am eigenen Bild nähern", so Katsch. Das regelt in Deutschland, ob und in welchem Zusammenhang Bilder der eigenen Person veröffentlicht werden dürfen. Würde man dieses Persönlichkeitsrecht auf Kindernacktbilder anwenden, könnte man die Produzenten und Verbreiter der Bilder strafrechtlich verfolgen. Denn Kinder können keiner Veröffentlichung zustimmen, weil sie minderjährig sind, und eine Zustimmung der Eltern wäre sittenwidrig und damit nichtig. Wie auch immer das Gesetz ausfällt, Sebastian Edathy betrifft es nicht. Denn rückwirkend kann niemand verurteilt werden.